WZ-Streitgespräch Zwei verkaufsoffene Sonntage im Advent

Krefeld · Markus Ottersbach vom Handelsverband und Dominik Kofent von Verdi diskutieren über verkaufsoffene Sonntage.

Dominik Kofent (l.) und Markus Ottersbach (r.) in dem von WZ-Redakteur Peter Kurz moderierten Streitgespräch.

Foto: abi/Andreas Bischof

Verkaufsoffener Sonntag – ein ums andere Mal hat die Gewerkschaft Verdi Pläne der Einzelhändler durch Klagen zunichte gemacht. Fast in allen Fällen gab ihr das Oberverwaltungsgericht Münster Recht. Nun glaubt die NRW-Landesregierung einen anderen Weg für Sonntagsverkäufe im Advent gefunden zu haben (siehe Infokasten). Was heißt das für Krefeld? Die WZ hat dazu zwei Männer mit gegensätzlichen Positionen zum Streitgespräch eingeladen: Markus Ottersbach, Geschäftsführer des Handelsverbands Krefeld, Kempen, Viersen. Und Dominik Kofent, Geschäftsführer der Gewerkschaft Verdi Bezirk Linker Niederrhein.

 Wie finden Sie, dass der Sonntagsverkauf nun von der Landesregierung mit dem Argument erlaubt wird, Infektionsgefahren zu vermeiden?

Markus Ottersbach: Das ist im Prinzip zutreffend, auch wenn es nicht das alleinige Argument sein kann. Aber ein weiterer Verkaufstag kann durchaus zur Entzerrung des Einkaufsgeschehens führen.

Dominik Kofent: Ich halte das für groben Unfug. Hauptargument des Handels und auch der Kommunen war doch immer, dass sonntags so viele Menschen kommen. Und jetzt soll genau das Gegenteil gelten? Das Oberverwaltungsgericht hat ja auch schon erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der neuen Regelung geäußert.

Kam das für Sie überraschend, dass die Münsteraner Richter das so nebenbei in einem anderen Verfahren zur Sonntagsöffnung gesagt haben, in dem es um Sonntagsöffnungen Anfang Oktober ging? Und dass die Richter da trotzdem schon etwas zur Adventszeit gesagt haben?

Foto von einem früheren Sonntagsverkauf in Krefeld.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Kofent: Ja, das hat mich gewundert, aber die Richter wissen ja auch, dass das Thema sie in allernächster Zeit erreichen wird. Ich fand das durchaus begrüßenswert. Wir prüfen gerade, welches der juristische Weg ist, wie wir als Gewerkschaft gegen diese Regelung in der Coronaschutzverordnung klagen können.
Ottersbach: Wir waren genauso überrascht, dass das Gericht ungefragt Stellung nimmt zu Fragen, die noch gar nicht zur Entscheidung anstehen. Allerdings wird sich später ein anderer Senat des Gerichts mit der Frage befassen.

Bisher haben sich die Städte und der Handel auf einen Erlass des NRW-Wirtschaftsministeriums verlassen. Und der, das hat das Oberverwaltungsgericht wieder und wieder entschieden, rechtfertigte nicht die Sonntagsöffnung. Fühlt man sich da vor Ort nicht allein gelassen?

Ottersbach: Das Grundproblem liegt für alle Beteiligten in dieser hohen Rechtsunsicherheit. Das war schon beim Ladenöffnungsgesetz so. Wir akzeptieren ja, dass der Sonntag nicht zum Regelöffnungstag wird. Wir wünschen uns eine klare und rechtlich sichere Regelung.

Heißt denn die neue Rechtslage jetzt, dass es gar keiner weiteren Entscheidung der Stadt bedarf, den Sonntagsverkauf zu regeln? Könnten die Geschäfte einfach in dem gesetzten Rahmen an den Adventssonntagen öffnen?

Ottersbach: Wenn die Regelung so bleibt, ja.

Herr Kofent, aber dann können Sie ja nicht gegen eine Anordnung der Stadt klagen, sondern nur gegen die Coronaschutzverordnung des Landes.

Kofent: Das prüfen unsere Anwälte. Und wir hören gerade in den Kommunen herum, was in den einzelnen Städten geplant ist.

Und, Herr Ottersbach, was ist in Krefeld geplant?

Ottersbach: In Krefeld sollen nicht alle vier Adventssonntage für den Sonntagsverkauf genutzt werden, sondern nur zwei. Und dann noch der 3. Januar. Die Werbegemeinschaft der Händler in der Innenstadt wird am Donnerstag entscheiden, welche Sonntage das sein werden. Falls Verdi dann dagegen klagt, würde der Sonntagsverkauf ebenfalls an diesen Tagen nach dem Ladenöffnungsgesetz mit Genehmigung durch die Stadt beantragt. In Fischeln will man keinen verkaufsoffenen Sonntag veranstalten. Hüls und Uerdingen überlegen, jeder einen verkaufsoffenen Sonntag zu machen.

Wird eigentlich mehr von den Menschen gekauft, wenn sonntags geöffnet wird? Jeder Euro kann doch nur einmal ausgegeben werden.

Ottersbach: Unternehmensauswertungen zeigen: Zusätzliche Verkaufstage führen zu zusätzlichem Umsatz. Vermutlich wird dann woanders etwas eingespart.

Kofent: Ich habe da keine Zahlen der Händler. Und ich frage: Wie sieht es denn dann in den Wochen danach aus? Die Menschen können nicht mehr Geld ausgeben als sie haben. Weihnachten kann es natürlich einen Sondereffekt geben, wegen Sonderzahlungen der Arbeitgeber. Aber ob die Menschen das Geld sonntags oder samstags ausgeben, ist da doch egal, das Volumen ändert sich ja nicht.

Ottersbach: Wir haben derzeit ein stark verändertes Kundenverhalten. Die Leute sind wegen der Pandemie vorsichtiger. Und es gibt ja auch Menschen, die zum Beispiel nicht verreisen konnten und dann ihr Geld für den Konsum ausgeben. Für uns sind die verkaufsoffenen Sonntage wichtig. Emotional für die Händler, die Angst um ihre Existenz haben. Und es geht ja auch um soziale Anlässe – dass die Familien zusammen in die Stadt gehen. Außerdem kann mit offenen Sonntagen dem Kaufkraftabfluss in die Niederlande zumindest ein wenig entgegengesetzt werden.

Herr Kofent, wie sehen Sie das?

Kofent: Ich habe da eher die Leute im Blick, die dann am Sonntag im Ladengeschäft stehen müssen. Die haben dann ja keine Zeit für ihre Familie an dem oft einzigen gemeinsamen Tag mit ihrem Partner und ihrer Familie. Gerade in der Weihnachtszeit ist das besonders schwierig. Ein Shopping-Event kann man doch auch samstags haben.

Herr Kofent, haben Sie eigentlich die volle Unterstützung Ihrer Mitglieder für Ihren strikten Kurs, wenn Sie gegen die Sonntagsöffnung klagen?

Kofent: Klar, es gibt da auch schon mal Kritik, zum Beispiel, weil ein Mitglied auf den Sonntagszuschlag angewiesen ist. Aber die große Mehrheit findet das richtig. Wenn es eine Möglichkeit gibt, und davon gehe ich aus, werden wir auch gegen die Sonntagsverkäufe im Advent klagen.
Ich will ausdrücklich darauf hinweisen, dass das kein Muskelspiel von Verdi ist. Wir lassen jeweils rechtlich prüfen, ob dem hohen Gut des Sonntagsschutzes Genüge getan wird.

Ottersbach: Aber die Kirchen als die eigentlichen Sonntagsschützer unterstützen Sie dabei nicht einmal mehr. Jedenfalls in Krefeld.

Kofent: Das hat mich anfangs verärgert, aber das müssen die Kirchen selbst entscheiden. Was mich mehr ärgert, ist, dass uns vorgeworfen wird, zum Rechtsbruch aufzurufen. Wir haben doch praktisch alle Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht in Sachen Sonntagsverkauf gewonnen. Das zeigt doch gerade, dass wir auf dem Boden des Rechts stehen.