Theater Krefeld und Mönchengladbach Wagner als grandioses Kabinettstück

Krefeld · Die Premiere vom ersten Aufzug von „Die Walküre“ in einer besonderen minimalistischen Form am Theater Krefeld überzeugte musikalisch wie inszenatorisch.

Hervorragende Solisten: Dorothea Herbert (v. l.), Matthias Wippich und Markus Petsch.

Foto: Matthias Stutte

Dieser auf das Notwendigste reduzierte erste Aufzug von Wagners „Die Walküre“ am Theater Krefeld ist ein Meilenstein. Und das ist für die Produktion, die nun unter der frisch-energetischen Leitung von Andreas Fellner, mit geschickter Hand inszeniert von Ulrich Proschka, Premiere feierte, nicht zu hoch gegriffen. Denn das Theater hat mit dieser Produktion auf über die Grenzen Krefelds strahlende Weise unter Beweis gestellt, wie selbst unter den so eingeschränkten Bedingungen der Pandemie fesselndes, in sich schlüssiges und nicht zuletzt auf höchstem Niveau interpretiertes Musiktheater möglich ist.

Dies liegt bei dieser vom Publikum umjubelten – absolut zu Recht satte Bravi für alle Beteiligten – Produktion nicht nur an der geglückten Wahl der Zutaten, die eigentlich eher unpassend scheinen können. Aber wie auch in der Haute Cuisine so oft, in Kombination von könnenden Köchen zubereitet, zu unerwarteten Hochgenüssen führen. Es liegt eben auch an den Köchen, allen voran an den drei über jeden Zweifel erhabenen grandiosen Solisten.

„Die Walküre“ während Corona aufzuführen, wäre utopisch, Abstände machen schon den üppigen Orchesterapparat undenkbar, von heutzutage nicht passen wollenden himmlischen Längen und dergleichen Unwägbarkeiten ganz zu schweigen. Wieso dann doch sich bei einer bewusst auf die Möglichkeiten unter Corona zugeschnittenen Inszenierung auf Wagners ersten Tag des Bühnenfestspieles „Der Ring des Nibelungen“ stürzen? Nun, weil es so, wie es hier gemacht wurde, trefflich funktioniert.

Die Musik trägt auch mit der minimalistischen Besetzung

Nur der erste Aufzug. Das Kabinettstück in Hundings Haus, wo Siegmund und Sieglinde, das getrennte und sich später inniglich, auch fleischlich, liebende Zwillingspaar, aufeinander treffen, scheint wie geschaffen für eine sehr reine kondensierte Interpretation, mit wenigen, gut sitzenden Mitteln. Dann das Ganze nur begleitet von zwei Klavieren, einem Cello und einem Pauker – was für Wagners satte Orchestersprache fast zu spartanisch anmutet. Aber weit gefehlt. Es funktioniert hervorragend auch in dieser auf wenige Klangfarben beschränkten skelettierten Form. Auch mit Klavier kann süßes Gift sich entfalten. Doch wie steht es um das Schweben der Sänger auf dem Orchesterklang ? Geht das auch mit kammermusikalischer Besetzung ohne Mischklang? Es ist ganz anders – und dennoch gelingt die Magie.

Wagner hat im ersten Aufzug der Walküre die Idee eines in musikalischen, gesanglichen Phrasen geschehenden Sprechgesangs verwirklicht. Was von Sängern nicht nur perfekte Diktion, zugleich aber auch sinnerfüllte Formung von Bögen, Akzentuierung von Schwerpunkten und eine untrügliche Intuition für die Mischung aus Ton und Wort verlangt – wie gut das doch hier funktionierte.

Erfrischender Weise war die weitere, für Musiktheater – was wir hier in purer Form erlebten – unerlässliche Zutat auch perfekt abgestimmt. Eine Regie, die dezent gestaltete, aber umso effektiver. Mit wenigen Requisiten, vielen Blicken und gut sitzenden szenischen Impulsen, die wie kleine Triebfedern für das Agieren der Sänger dienten. Udo Hesses Bühnenbild und Kostüme hielten sich vornehm zurück – auch hier mehr Andeutung als üppig gewolltes Ausstattungstheater; welch Glück!

Aber nun zu den Köchen, den Akteuren. Allen voran ein mit schönstem Timbre gesegneter Markus Petsch. Der Tenor sang in bester Tradition seines Fachs einen Siegmund wie er im großen Buche steht. Ein Heldentenor mit einer Stimmfärbung, die menschlich, leidenschaftlich, lebendig ist. Gerade auch, wenn es obenrum ein bisschen heikler wird. Es bebt, es webt sich in eine perfekt geführte Stimme in eine Vielfalt an Abtönungen, ohne das Technische herauszustellen. Anstatt drückend zu schreien oder metallisch wirken zu wollen, das Weiche an passender Stelle genauso suchend, wie immer sinnerfüllte Höhe singend. Das wirkt sprechend, mit Pathos, wenn es ein bisschen mehr braucht und authentisch. Petsch war für diese Produktion, bei der es vor allem auch auf die Sänger in purer Form ankam, genauso ein Glücksfall wie Dorothea Herbert. Eine Sieglinde mit sehr viel Kultur im Klang – viel Leidenschaft in einer ebenfalls sehr reizvoll changierend geführten Stimme, die in der Mitte Wärme hat, aber schön charismatisch glänzen kann. Lebendige Höhen gestaltete die Sopranistin, die um ihr Material weiß.

Sie ist übrigens ebenfalls wie Petsch Gast am Theater Krefeld und Mönchengladbach. Nicht Gast, aber ein trefflicher Hunding, Matthias Wippich. Er formt – schön eingedunkelt, aber keinesfalls getrübt – stimmlich einen differenzierten Hunding, als man es bisweilen hört. Der „böse“ Ehemann Sieglindes ist klanglich kein „Unding“, sondern öffnet Vielschichtigkeit. Wippichs in edles Dunkelgold eingehüllte Vokale sind zum Hineinlegen.

Die Pianisten, Arik Alvarez und Michael Preiser, haben eine Mammutaufgabe zu bewältigen – und lassen bis auf sehr wenige Ausnahmen Wagners Partitur funkelnd lebendig werden. Durchaus schnittig und absolut souverän geleitet von Andreas Fellner. Cellist Konrad Philipp und Paukist Günther Schaffer zaubern ebenfalls, doch hätte das Arrangement geschickter sein können. Viele Chancen, gerade im Cello, das wunderbar in hohen Lagen melodisch hätte schmeicheln können, hat der Bearbeiter verschenkt.

Nicht verschenkt, der große Tisch als zentrales Objekt. Die würzige Personenregie, mit kleinen humorigen Einschüben und trotzdem Wagner ernst nehmend vom Kenner Proschka. Nicht verschenkt ein kondensiertes Spiel, das dadurch noch wirksamer, noch direkter in die Fantasie des Betrachter hineinwirkt. Geschenkt, wenn es hin und wieder etwas zu viel Steh- und Geh-Theater gab und das Licht etwas unschlüssig war. Minimalismus; so geht Wagner trotz Corona. Und eine eigene, eine ästhetische Position, außer üblicher Wagner-Konkurrenz.