Frauen- und Kinderschutzhaus Schutz für Frauen vor häuslicher Gewalt – nicht nur in Corona-Zeiten
Krefeld · Nur wenige Hilferufe erreichen derzeit das Krefelder Frauenhaus. Weil die Männer größtenteils die ganze Zeit zu Hause sind, gibt es kaum Möglichkeiten, die Hotline anzurufen.
Die vom Familienministerium initiierte Kinderschutzhotline hat vor wenigen Tagen erstmals Zahlen zur Entwicklung in der Coronakrise genannt. Medizinisches Personal habe danach das Hilfsangebot in den ersten beiden Mai-Wochen in mehr als 50 Verdachtsfällen genutzt und damit fast so häufig wie im April. Damit werden Befürchtungen wahr, dass in der Ausnahmezeit von Corona es hinter verschlossenen Türen verstärkt zu Gewalt kommt, gegen Kinder, aber auch innerhalb der Familie und vorwiegend gegen Frauen. Doch erstaunlicherweise zählt die Polizei in diesen Wochen offiziell weniger Fälle von häuslicher Gewalt und auch das Krefelder Frauen- und Kinderschutzhaus erreichen nur wenige Anfrage bis gar keine an manchen Tagen. Für Leiterin Martina Müller-West kein Widerspruch.
Frauen aus zwölf Ländern suchen Schutz mit ihren Kindern
„Die Frauen kommen ja nicht unbeobachtet aus der Wohnung raus, um ungestört und frei mit uns reden zu können“, sagt Martina Müller-West. Sie sind zu Hause sozusagen gefangen. Die Sorge vieler Fachleute ist groß, dass sich der Corona-Stress hinter verschlossenen Türen in verstärkter Gewalt entlädt, gegen Frauen, aber auch von Erwachsenen gegen Kinder. „Diese Sorge haben wir auch“, sagt Tanja Himer, Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF), der Träger des Frauen- und Kinderschutzhauses ist. In Ballungsgebieten zeige sich die Zunahme von Gewalt in den dortigen Schutzeinrichtungen. „In Krefeld und den umliegenden Frauenhäusern haben wir das bislang nicht festgestellt“, erklärt Müller-West. Ein Blick auf die Internetseite Frauen-Info-Netz gegen Gewalt zeigt Einrichtungen in Duisburg, Neuss und Mettmann, die Frauen aufnehmen können.
Das Frauenhaus in Krefeld ist dennoch voll besetzt. „14 Frauen mit 20 Kindern haben wir in diesem Jahr langfristig aufgenommen“, berichtet Müller-West, zwei von ihnen haben die deutsche Nationalität, alle anderen Frauen kommen aus allen Teilen der Welt. Es gebe aber keine Häufung von Frauen aus Asylländern, sagt die Leiterin, bevor die Frage aufkommt. Auch im nichteuropäischen Ausland gibt es inzwischen Frauenschutzhäuser, die Hilfen bei häuslicher Gewalt sind bekannt. Auch in arabischen Ländern, in denen Frauen sehr begrenzt Rechte haben. Dass sie aber Persönlichkeitsrechte und Anspruch auf ein unversehrtes, selbstbestimmtes Leben haben, wissen viele von ihnen durch den Zugang ins Internet.
„Frauen aus anderen Kulturkreisen harren oft viel länger in Gewaltbeziehungen aus, sie glauben, hier keine Rechte zu haben, haben Angst die Polizei zu rufen, weil in ihren Heimatländern die Polizei nicht unbedingt Schutz und Hilfe garantiert“, so Martina Müller-West. Auch werde ihnen von ihren Männern mit dem Jugendamt gedroht, dass ihnen die Kinder wegnehmen würde. „Wir machen viel Aufklärungsarbeit mit Sprachführern in anderen Sprachen“, erklärt Martina West.
In zwei Schutzwohnungen fangen Frauen neues Leben an
Die Zeit des Aufenthalts im Frauen- und Kinderschutzhaus, dessen Adresse aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlicht wird, hat sich im Laufe der Jahre verlängert. Laut des neuen, noch nicht veröffentlichten Jahresberichtes des SkF, lag die Jahresauslastung deshalb im vergangenen Jahr bei 108 Prozent, sieben Frauen waren aus dem Vorjahr übernommen worden. Für die 24 in 2019 neu aufgenommenen Frauen verlängerte sich die Aufenthaltsdauer auf 120 Tage. Die Nachfrage ist um ein Vielfaches aber höher. „Es wurden 93 Absagen wegen Vollbelegung des Frauenhauses erteilt“, berichtet Tanja Himer.
Der Sozialdienst katholischer Frauen möchte den aufgenommenen Frauen eine Perspektive eröffnen. Der Weg ins Frauenhaus, verbunden oftmals mit Flucht und Verlust aller familiären und sozialen Kontakte, ist ein schwieriger. Ebenso wie der Weg weiter in ein eigenes, neues Leben. Der Blick in die Statistik 2019 zeigt: Von den aufgenommenen 24 Frauen sind 15 anschließend in eine eigene Wohnung oder ein anderes Frauenhaus gezogen, vier Frauen kehrten zurück zu ihren Männern, der neue Aufenthalt von fünf Frauen ist unbekannt.
Zusätzlich zum Frauenhaus hat der SkF mit Hilfe von Spendern und Förderern seit April 2019 zwei Schutzwohnungen mit jeweils 50 Quadratmeter Wohnfläche als Übergangsmöglichkeit angemietet. „Dort können die Frauen das Alleine-Leben üben“, sagt Tanja Himer. Und Martina Müller-West ergänzt: „Ziel ist es, die Frauen zu verselbständigen und sie an ein Leben allein mit ihren Kindern zu gewöhnen.“ Die Plätze dort sind mittlerweile um einen weiteren auf jetzt vier aufgestockt.
In der Nähe des Frauenhauses leben die Bewohnerinnen in den Schutzwohnungen und werden auch dort weiterhin von Sozialpädagogen betreut. „Wir haben dazu unser Team von sechs Mitarbeiterinnen und die Stellen der Sozialpädagoginnen etwas aufgestockt“, erzählt Martina Müller-West.
Das Angebot von Schutzwohnungen sieht Tanja Himer als zukunftfähigen Weg und praktikabler und bezahlbarer, als den Bau eines neuen Frauenhauses in Krefeld. Und dezentrale Unterkünfte sind ein Schritt ins normale Leben.