Bruno Brix ist von Japan fasziniert

Der Kurator erzählt, wie ihn der Kontakt mit der asiatischen Kultur verändert hat.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Kurator Bruno Walter Brix hat für das Deutsche Textilmuseum die Ausstellung „Kirschblüten und Haifischhaut — Textilien der Samurai und Bürger in der Edo-Zeit“ zusammengestellt. Im Mittelpunkt stehen Gewänder, deren Mustertechnik ursprünglich den Samurai, den japanischen Rittern, vorbehalten war. Im Interview erklärt er seine Faszination für Japan.

Was ist in der Ausstellung zu sehen?

Bruno Walter Brix: Wir haben vier Hauptpunkte gesetzt: Die Gewänder mit Komon-Musterung, bei diesen gibt es welche von Bürgern und von Samurai, Gewänder, die speziell von Samurai getragen wurden, Roben der Damen und Roben für das Nô- und Kyôgen-Theater.

Wie viele der Exponate stammen aus Krefeld?

Brix: Aus der Sammlung des Deutschen Textilmuseums stammen die ausgestellten Färbeschablonen, die Komon-Gewänder und Musterbücher und alle Kleidungsstücke und Textilien, also etwa 90 Prozent der Objekte.

Kannten Sie die Sammlung des Deutschen Textilmuseums?

Brix: Ja, ich bin dem Museum schon seit 1993 verbunden. Damals durfte ich ein Praktikum in der Textil-Restaurierungswerkstatt des Museum machen. Auch in den Jahren dazwischen konnte ich immer wieder das Museum besuchen und mir interessante Textilien ansehen, aber auch bei neuen Stücken das Museum bei der Einordnung und Beschreibung unterstützen.

Nach welchen Kriterien haben Sie ausgewählt?

Brix: Bei der Untersuchung der japanischen Textilien in der Sammlung wurde klar, welche Stücke in die Ausstellung sollten. Die bereits erwähnten vier Hauptpunkte wurden deutlich und als Klammen, die alles verbindet, erschien die Edo-Zeit (1603-1868) sinnvoll. Die Stücke und auch die Gruppen wurden aufgrund ihrer kulturhistorischen und kunsthandwerklichen Bedeutung ausgewählt. Dabei haben wir darauf geachtet, besonders typische Vertreter, aber auch ungewöhnliche Stücke auszuwählen. Ein weiterer Punkt war auch die Verschränkung der einzelnen Gruppen miteinander. So gibt es Gewänder der Samurai und der Bürger, die sich stark ähneln, beziehungsweise Muster, die von der einen Gruppe zuerst getragen und dann von den anderen übernommen wurden.

Können Sie da ein Beispiel nennen?

Brix: Textiltechniken, die bei den verschiedenen Gruppen ähnlich eingesetzt wurden, beispielsweise in den Damengewändern und den Theater-Roben. Insgesamt wollten wir einen guten Überblick über die Schönheit und Bedeutung japanischer Textilien zeigen. Was uns wohl auch gelingen konnte, angesichts der Breite der Sammlung und der großen Qualität der Stücke, die in Krefeld zu finden sind.

Was ist die Edo-Zeit?

Brix: In der Edo-Zeit begannen die Bürger, eine eigene Kultur zu entwickeln, die jene der Samurai in ihrer Bedeutung ablöste. Sie übernahmen auch viel von den Samurai, begannen aber ebenso eine eigene Identität deutlich zu machen.

Welches Stück in der Ausstellung gefällt Ihnen am besten?

Brix: Persönlich habe ich in der Ausstellung einige Lieblingsstücke. So unter den Nô-Roben und den Fragmenten, aber auch bei den Komon-Gewändern. Aber auch die Beziehungen unter den Objekten, die in der Ausstellung deutlich werden, gefallen mir. Hier ist auch besonders der Restaurierungwerkstatt im Museum zu danken. Petra Brachwitz, ihren Kolleginnen und Richard Fabricius ist es gelungen, meine Intentionen zu verstehen und gekonnt umzusetzen.

Was unterscheidet europäische von japanischer Kleidung?

Brix: Ein ganz wichtiger Punkt ist der Schnitt. Im Westen tragen wir körpernah geschnittene Kleidung. In Japan und anderen ostasiatischen Ländern gründet die Form der Kleidung auf der Verwendung möglichst unzerschnittener Stoffbahnen. Diese Gewänder werden durch Falten und mithilfe von Bändern am Körper befestigt. Erstaunlicherweise ist die Form und Größe auch praktisch für alle gleich und wird eben den Gegebenheiten des jeweiligen Körpers angepasst. Der Kimono ist praktisch ein Modul. Und die große Fläche wird oft als eine Art Malgrund verstanden und auch so behandelt. Die Muster haben deshalb ihren Schwerpunkt auf der Rückseite, weil es die größte Fläche ist. In Japan hat man eine große Vielfalt an Mustertechniken entwickelt und kombiniert, um die Eleganz des Gewandes zu steigern.

Woher rührt Ihr Interesse an Japan?

Brix: Mich hat an Japan schon als junger Mensch interessiert, wie unterschiedlich und exotisch es ist, im Vergleich zu der Kultur, die uns umgibt. Dies weckte einerseits den Wunsch, möglichst viel von dieser Kultur so gut wie möglich zu verstehen. Gleichzeitig war es aber auch ein Anstoß, dass ich mir darüber klar geworden bin, was unsere Vorstellung von Kultur bedeutet. Unsere Vorstellungen von richtig und falsch, von gut und böse, von schön und hässlich werden ja von der Kultur geprägt, in der wir aufwachsen. Angesichts einer fremden, teils weit entfernt scheinenden und exotisch wirkenden Kultur, stellt sich die Frage danach, wie wahr und endgültig diese Marksteine in uns wirklich sind.

Haben Sie sich diese Frage auch gestellt?

Brix: In der Begegnung mit Japan verändert man sich. Man stellt sich und seine Wahrheiten in Frage. Für mich war und ist die Begegnung mit Japan äußerst bereichernd. Ich habe einerseits viel über mich gelernt. Andererseits begegne ich in Japan einer Schönheit, die gleichzeitig viele Ebenen beinhaltet. Je mehr man über die Objekte und ihre Hintergründe erfährt, je tiefer das Verständnis dafür wird, desto interessanter werden die Stücke.