Ein Schatten der verborgenen Macht

Die Oper „Der Konsul“ zeigt, wie die Willkür der Bürokratie Beziehungen zerstören kann.

Foto: Matthias Stutte

Der Konsul ist nur ein einziges Mal zu sehen, und das als Schatten: Die titelgebende Figur der Oper „Der Konsul“ von Gian Carlo Menotti steht für die verborgene Macht. Denn er könnte den verzweifelten Menschen helfen, die in seinem Büro um ein Visum für ein ungenanntes Land nachsuchen. Wir wissen nur so viel — die Türkei ist es nicht, denn dieses Land wird als Ausweichmöglichkeit für einen unglücklich Wartenden vorgeschlagen. Darin sieht der Theatergast den einzigen kleinen Bezug zur Gegenwart; spricht die Oper, 1950 in Philadelphia uraufgeführt, von der Willkür der Bürokratie und den menschlichen Beziehungen, die daran zugrunde gehen.

Die Inszenierung von Katja Bening verzichtet ausdrücklich auf eine genaue Verortung, um dem Zuschauer und Zuhörer Raum für eigene Assoziationen und Zuordnungen zu lassen. Das Geschehen wird mit einigen Insignien des deutschen Faschismus wie einem Braunhemd oder der Kleidung jener Zeit ausgestattet (Bühnenbild und Kostüme sind von Udo Hesse).

Die Oper erzählt den tragischen Untergang einer Frau, die an den Umständen scheitert. Dissident John Sorel (Andrew Nolen) wird von der Geheimpolizei gesucht und muss sich verstecken. Er lässt seine Mutter, seine Frau Magda und seinen schweigenden Sohn zurück. Und bittet sie, im Konsulat um ein Visum zu ersuchen. Doch das Schicksal meint es nicht gut mit diesen Menschen: Vater fort, Geheimpolizei vor der Tür, der Junge stirbt, die Großmutter kurz nach ihm. Der Vater wird — gegen geltendes internationales Recht — im Konsulat verhaftet. Magda bringt sich um. Da ist ihr Mann schon abgeführt. Die Familie ist ausgelöscht.

Gian Carlo Menotti hat die Musik und das Libretto zu gleicher Zeit verfasst, eine Art Gesamtkunstwerk. „Der Konsul“ war seine erste abendfüllende Oper. Seine Texte sind lyrisch und poetisch und beschreiben Menschen auf der Suche nach Rettung.

Menottis Musik ist vielfältig, üppig und schöpft aus großen Vorbildern. Er setzt unterschiedlichste Elemente zusammen: Sprechgesang, Tänze, Lieder, Trauermarsch, große Arien. Berühmt ist besonders das Wiegenlied, das die Großmutter (Satik Tumyan) dem kleinen Sohn singt.

Magda (großartig: Izabela Matula) wird hier schon als distanzierte Figur geführt, die kurz davor ist, in die Unwirklichkeit abzurutschen. Sie steht im Mittelpunkt des Geschehens und verbringt die meiste Zeit als Wartende in der grotesken Welt des Konsulats. Sie richtet einen Appell an die Menschlichkeit an die Sekretärin (Janet Bartolova), die nur ihren Vorschriften folgt. Hier trifft sie auch auf den netten Herrn Kofner (Hayk Dèinyan), die Italienerin (Debra Hays), Anna Gomez (Gabriela Kuhn) und Vera Boronel (Susanne Seefing), die als einzige ein Visum erhält. Im Konsulat tritt ein Zauberer (Markus Heinrich) in doppelter Gestalt auf — ein fantastisches Element, das wieder eine besondere musikalische Form findet. Genauso Magdas Träume, die Menotti Nähe zum Film zeigen. Auf der Bühne des Stadttheaters wurde die deutsche Übersetzung geboten, womit man dem Wunsch des Komponisten nach Verständlichkeit entsprach. Schade nur, dass das nicht allen gelang. Die Obertitel waren da hilfreich.

Die Oper „Der Konsul“ gilt als Menottis beste, er erhielt für sie unter anderem 1952 den Pulitzer Preis. Zur selben Zeit führte auch das Stadttheater Krefeld das Stück auf. Menotti starb vor zehn Jahren im Alter von 95 Jahren und ihm wurde in der WZ als dem „Besten Komponist nach Puccini“ gedacht. Das Publikum im Stadttheater applaudierte Solisten und Musikern (Leitung Diego Martin-Etxebarria) begeistert.