„Fattsa“ im TAM: Das Publikum bleibt ratlos
Das Fischelner Theater am Marienplatz zeigt ein Stück nach Ideen von Ernst Jandl.
Krefeld. Ernst Jandl kennt man für seinen im wahrsten Sinne des Wortes bahnbrechenden und nicht immer nur zur Unterhaltung gedachten Sprachwitz. An diesem Abend aber gibt es im experimentierfreudigen Theater am Marienplatz nur ein einziges Wort: "Fattsa".
Ein Halbnackter kriecht mit einer Stablampe von rechts nach links, kasteit sich damit und ruft: "Fattsa". Ein anderer gießt aus einer Kaffeekanne Zucker in eine Tasse, bis diese über und über bedeckt ist, und sagt: "Fattsa". Ein Paar trifft sich, küsst sich, wird aber nicht wirklich zum Paar. Beide sagen "Fattsa". Eine Frau wechselt ein halbes Dutzend Mal den BH und präsentiert sich jeweils neu mit dem Wort "Fattsa". Ein Mann trägt eine Glocke als überdimensionales Gemächt zwischen den Beinen und vermeidet dabei sorgsam, dass sie läutet. Kommentar: "Fattsa".
So reihen sich requisitenreich sinnentleerte Handlungen aneinander, an deren Ende jeweils das Wort "Fattsa" steht. Nur zwei oder drei Mal wird die inzwischen entstandene Publikumserwartung durch wenige andere Worte durchbrochen. Doch auch dann folgt unweigerlich die Fantasievokabel, und die Darsteller sprechen sie nicht zu einander, sondern zum Publikum gewandt.
Es wird heftiger: Eine Frau trägt einen Luftballon wie einen schwangeren Bauch vor sich her und zersticht ihn plötzlich mit einem Messer: "Fattsa". Ein Mann erscheint mit zwei abgeschlagenen Köpfen auf der Bühne. Die dazugehörige Axt wird hinter dem Rücken einer abgehenden Frau sichtbar: "Fattsa". Jemand versucht, sich in den Kopf zu schießen. Die Pistole hat Ladehemmung, aber mit dem Wort "Fattsa" streckt er sich nieder. Ein anderer schießt völlig ziellos ins Nichts, und hinter dem Schützen fällt jemand tot um: "Fattsa". So ähnlich "funktioniert" vieles in Deutschland. Dennoch liegen passende Assoziationen nicht immer nahe.
Nach gut 30 Minuten nahm das Ensemble den Applaus von 13 Gästen entgegen und verneigte sich vor deren Ratlosigkeit, denn die gehörte zum Plan. Einem war zuwenig Jandl im Jandl. Ihm fehlte das Sprachspiel, das ihm die verbale Leitplanke im (fast) nonverbalen Vergnügen geboten hätte. Die andere fand "Fattsa" ein "ganz tolles Wort" und war zufrieden.
In jedem Fall wurde Jandl mit diesem einen Wort, das gar keines ist, auf seine eigene Spitze getrieben. Köstlich! Und man könnte mit Jandl selbst appellieren: Suche wie wissen was suchen! Deshalb wünscht man dieser Performance mehr Zuschauer. Gelegenheit ist am 14., 21. und 28. September, jeweils um 22 Uhr.