Hier wird der Besucher selbst zum Kunstwerk

„Force“ von Christian Falsnaes wird am 22. März im Kaiser-Wilhelm-Museum offiziell eröffnet. Es ist die bisher größte Einzelausstellung des Künstlers.

Foto: Andreas Bischof

Seine Kunst entsteht in der direkten Konfrontation mit dem Publikum. Dabei provoziert, verführt und begeistert Christian Falsnaes den Besucher, indem er ihn zum aktiven Co-Autor und Teilnehmer eines Kunstwerkes macht. Energie und Kraft, aber auch Macht und Gewalt sind Schlüsselwörter für seine Strategien. Das alles beinhaltet auch der englische Begriff „Force“, der jetzt Titel seiner Ausstellung im Kaiser-Wilhelm-Museum (KWM) ist. „Wir sind froh und stolz, diese Ausstellung machen zu dürfen“, sagt Museumsdirektorin Katia Baudin.

Foto: Andreas Bischof

Für den 1980 in Kopenhagen geborenen Künstler, der neben Malerei auch Philosophie studiert hat, ist diese Ausstellung die erste umfassende Museumspräsentation. Für Baudin ist Falsnaes ein „Kind der virtuellen Zeit“ und reiht sich zugleich mit seinen Ideen in eine lange Tradition von Künstlern ein, die in Krefeld ortspezifisch und mit erweiterten Kunstbegriffen gearbeitet haben. Im ersten von insgesamt acht Räumen befindet sich die Installation „Icon“ mit Werken, die der Künstler aus der Sammlung ausgewählt hat. Darunter sind Ikonen der Kunstgeschichte, wie das Bild „Monochrom blau“ von Yves Klein, das hier mit Reiner Ruthenbecks „Schwarzem Papierhaufen“ oder einer Fotoarbeit von Bruce Nauman in einen Kontext gestellt wird.

Ergänzt durch Werke von Imi Knoebel, Lucio Fontana und Franz Erhard Walther hat Falsnaes hier im schönsten Raum des Museums eine kleine Ausstellung mit fast sakraler Atmosphäre geschaffen. Der Oberlichtsaal ist bewusst gewählt und beinhaltet dabei eine Anspielung auf Joseph Beuys, der genau in diesem Raum 1971 seine legendäre Aktion Mensch=Kunst durchführte. Auch Falsnaes, der diese Arbeit speziell für den Ort konzipiert hat, wird diesen Raum während der Ausstellungszeit mit einer Reihe von Performances aktivieren. Die erste findet am Eröffnungsabend statt.

„Icon“ ist eine von acht Arbeiten, die alle in einer geschickt inszenierten Choreographie in genau acht verschiedenen Räumen zu erleben sind. „Die gesamte Bandbreite seines Schaffens spiegelt sich hier wider“, sagt Kuratorin Sylvia Martin dazu. So begegnet man im nächsten Raum mit Fotografie und Zeichnung einem zunächst sehr traditionell wirkenden Werk. Doch „Time/Line/Movement“ ist ein seit 2013 fortlaufendes interaktives Modell. Ursprung war eine abstrakte Zeichnung des Künstlers, die ein Besucher erst kopieren muss, um dann in einer weiteren Aktion die Vorlage zu verbrennen. Das Foto hält diese Vernichtung der Zeichnung fest. In der Ausstellung ist es die Kuratorin, die diese Aktion durchgeführt hat.

Im nächsten Raum wird der Besucher selbst zum Objekt und kann dies live erleben. Er wird gefilmt und bekommt dazu von einer Person Anweisungen zu seinem Verhalten. „Der Besucher schafft Bilder, um sie dann selbst sehen zu können“, sagt Falsnaes dazu. Die Kamera hält nur den Augenblick fest. Es wird nichts gespeichert oder übertragen. Nur durch Verlassen des Raums kann man diese Aktion beenden. „Feed“ ist ein intelligenter Kommentar zur ständigen Selbstbespiegelung der Menschen in den sozialen Medien. Ein anderes Thema ist die Person des autoritär auftretenden männlichen Künstlers. An diesem Punkt bezieht sich Falsnaes auch wieder auf Beuys, dessen autoritäre Hierarchie trotz demokratischer Kunstbegriffe für ihn unübersehbar ist. Falsnaes bedient sich ähnlicher Strategien, um genau dieses Thema kritisch zu reflektieren.

In dem Video „Influence“ versucht er, Einfluss auf ein Publikum fernab eines Museums zu nehmen. Die Menschen, die in einem Bierzelt feiern, ignorieren den Künstler, der unter großem körperlichen Einsatz dort agiert. Dieses Beispiel zeigt, dass Falsnaes’ Strategien es an einem Ort, wo der einzelne in einer Masse aufgeht, schwierig haben. Dagegen ist das Museum ein idealer Ort für ihn. „Im Museum ist das Individuum im Zentrum“, sagt er. Mit der Installation „Available“ macht sich der Künstler jederzeit dem Besucher telefonisch verfügbar. Dem Besucher ist es freigestellt, mit dem Künstler über ein Telefon Kontakt aufzunehmen. Doch wenn er es tut, bekommt er von ihm Anweisungen zu einer improvisierten Handlung. Der Besucher entscheidet, ob er mitspielt.

Etwas weniger Spielraum gibt es im letzten Raum, der den Schluss-und Höhepunkt der Ausstellung darstellt. Zunächst muss der Besucher ein schwarzes Ganzkörperkostüm anziehen, das ihm seine Individualität nimmt. Erst dann kann er einen bis auf einen Spiegel leeren Raum betreten. Wieder gibt eine Stimme Anweisungen. Der Besucher wird als eine Art lebendige Skulptur selbst zum Kunstwerk. Er allein aktiviert es durch sein Handeln. Der Titel dieser Arbeit ist ebenfalls „Force“. Es ist das neben „Icon“ zweite, speziell für die Krefelder Ausstellung geschaffene Werk, in der die verschiedenen Strategien des Künstlers zum Thema Partizipation zu einem eindrucksvollen Höhepunkt zusammengeführt werden.

In dieser virtuos choreographierten Werkschau zeigt Falsnaes auf raffinierte und intelligente Weise nicht nur die gesellschaftlichen Dimensionen von Kunst. Indem er die Strategien aufzeigt und Machtstrukturen auslotet, lässt er auch ihre Faszination umso deutlicher werden.