Schauspiel Michel Houellebecqs „Unterwerfung“ - Reizvolles Projekt mit Herausforderungen

Michel Houellebecqs „Unterwerfung“ wird seit Juni am Theater Krefeld aufgeführt. Eine geeignete Fassung für die Bühne zu schreiben, hat Dramaturg Thomas Blockhaus schlaflose Nächte beschert. Darüber spricht er im Interview.

Foto: Matthias Stutte

Krefeld. Gemeinsam mit seinem Dramaturgiekollegen Martin Vöhringer und Regisseur Matthias Gehrt ist Thomas Blockhaus vor Monaten auf die Suche nach einem geeigneten Stoff für ein Folgeprojekt von „Kein schöner Land“ gegangen, das vor gut einem Jahr am Gemeinschaftstheater uraufgeführt wurde. Im Interview erzählt Blockhaus von vielen Herausforderungen und französischen Chansons.

Warum braucht das Theater Krefeld und Mönchengladbach eine eigene Bühnenfassung von „Unterwerfung“?

Thomas Blockhaus: Es gibt keine von Michel Houellebecq autorisierte Dramatisierung. Jedes Theater muss sich seinen eigenen Zugang erarbeiten. Was zeigt, dass der Autor dem Kern seines Werks grundsätzlich vertraut und nichts vorgeben will. Glücklicherweise, denn für mich war und ist es ein reizvolles Freispiel voller Herausforderungen.

Wie haben Sie angefangen?

Blockhaus: Mein erster Schritt war, eine Kurzfassung zu erarbeiten. Der Roman hat für einen Theaterabend viel zu viel Material — man muss sich entscheiden, was man weglässt. Der Filter, den man über den Inhalt des Romans legt, wird bei jedem Kürzungsvorgang immer feiner — das ist manchmal ein ziemlich mühsamer und schmerzhafter Prozess, der mir auch schon mal schlaflose Nächte bereitet hat.

Brauchen Sie eine bestimmte Umgebung, eine besondere Stimmung zum Schreiben?

Blockhaus: Eine Bühnenfassung schreiben, das ist wie Komponieren. Das geht für mich nur, wenn ich Ruhe und Muße habe, deshalb arbeite ich vor allem abends und nachts.

Haben Sie Inszenierungen an anderen Theatern gesehen, um sich zu informieren, wie Ihre Kollegen mit dem Thema umgehen?

Blockhaus: Ich bin viel gereist und habe „Unterwerfung“ unter anderem am Deutschen Schauspielhaus Hamburg als Monolog mit dem großartigen Edgar Selge gesehen. Die konzeptionellen Ansätze sind alle sehr unterschiedlich. Jede Fassung ringt dem Werk einen anderen Aspekt ab. Auch für uns stellte sich die Frage: Was ist uns wichtig. Und dann: Wie machen wir das?

Und? Wie machen Sie es?

Blockhaus: Wir sehen „Unterwerfung“ als Folgeprojekt von „Kein schöner Land“ mit der Fragestellung „Was passiert in einer Gesellschaft durch die Ankunft von Flüchtlingen? Was verändert das im Selbstverständnis des einzelnen und im Umgang miteinander?“ Für „Unterwerfung“ mussten wir uns entscheiden, was wir aus „Kein schöner Land“ konzeptionell übernehmen wollen. Wichtig war uns, die chorische Form des Erzählens beizubehalten. Wir haben ein maßgeschneidertes Konzept für diese Inszenierung erarbeitet. Genau für dieses Theater, für diesen Regisseur und dieses Ensemble.

Apropos Chor . . .

Blockhaus: Es ist der Chor, der auch bei „Kein schöner Land“ am Start war. Die Schauspieler sollen zunächst wie Menschen aus der Stadt wirken, die sich zum gemeinsamen Singen treffen. In „Unterwerfung“ wird dieser Chor zu Beginn mit dem Roman konfrontiert und muss sich dazu verhalten. Das ist der Einstieg in unseren Abend. Jeder Chorsänger verwandelt sich dann in einen von acht potenziellen François‘, der Hauptfigur der Geschichte.

Warum verteilen Sie die Rolle des François auf acht Schauspieler?

Blockhaus: Das hat den Vorteil, dass wir unterschiedliche Aspekte der Figur schärfer konturieren und ihr mehrere Stimmen geben können. Und dass wir bestimmte Inhalte deutlicher hervorheben können. Für die Schauspieler ist das Stück eine Herausforderung, weil es eine epische Erzählweise mit einem klassischen Ich-Erzähler, François, ist. Dabei bietet die Figur Ecken und Kanten, hat aber auch etwas sehr Charmantes.

Kommen alle Charaktere des Romans auf die Bühne?

Blockhaus: Nein, nur etwa die Hälfte. Eine Figur habe ich dazu erfunden: Marie, eine junge, sehr moderne Muslima. Wir setzen sie wie eine Art Zeremonienmeisterin ein, die durch das Stück führt. Sie ist das einzige Ich, das nicht aufgesplittet ist.

Welche Rolle spielt denn die Musik in ihrer Bühnenfassung und in der Inszenierung?

Blockhaus: Die Musik ist ein Bindeglied zwischen Bühne und Zuschauer. Ich habe eine ganze Reihe bekannter Chansons, zum Beispiel von Gilbert Bécaud und Jacques Brel, eingebaut, die unser musikalischer Leiter Jochen Kilian mit den Schauspielern einstudiert. Durch die eingearbeiteten Lieder wird der gesprochene Text musikalisch gespiegelt, und der Abend wird deutlich unterhaltsamer, woran uns sehr gelegen ist. Red