Mit Thomas Mann das Theater neu entdecken
Intendant Michael Grosse als Felix Krull.
Krefeld. Herwart Grosse, der Balladenmeister, Defa-Filmheld und Protagonist des Deutschen Theaters, starb am 27. Oktober 1982 in Berlin. "Der da in Smoking und Fliege auf die Bühne tritt, scheint dem alten Grosse wie aus dem Gesicht geschnitten. Kein Nachahmer, der leibliche Nachfolger brilliert hier, der Sohn." Das schrieb vor fast 13 Jahren die "Berliner Zeitung" über die damalige Solo-Premiere des neuen "Generals".
Die Theaterbesucher in Krefeld werden am Sonntag ab 20 Uhr das Vergnügen haben, den inzwischen 49 Jahre alten Grosse-Sohn als Hochstapler zu erleben. "Als mein Vater starb, hatte ich gerade meine erste Inszenierung", erzählt der Intendant. In der Rolle des Hochstaplers Felix Krull aus der Feder von Thomas Mann soll eine Theatertradition fortgesetzt werden.
"Es soll keine Lesung sein, sondern eine szenisch gespielte Rezitation", betont Dramaturgin Regina Härtling, die mit Grosse von der Schleswig-Holsteinischen Landesbühne an den Rhein gewechselt ist. Erstmals wird das Glasfoyer zum Bühnenschauplatz. "Ein altbekanntes Haus soll neu entdeckt werden", sagt der Neu-Bockumer.
Der gelernte Schauspieler will auch in seiner Rolle als Intendant nahe am Publikum sein, sich persönlich einbringen in den Theaterbetrieb. In Zeiten schnelllebiger Medienüberflutung möchte Grosse "ein Unikat bieten, der Sehnsucht nach Entschleunigung" entgegenkommt.
Das Stück dauert ohne Pause eine Stunde. Pro Monat soll es künftig eine derartige Vorstellung geben. Grosse hofft damit, mehr Menschen wieder an die Literatur-Klassiker heranzuführen. Mit Heines "Wintermärchen" wird er im Dezember in Mönchengladbach Solo-Premiere haben. Aber auch Kleist oder Goethe seien denkbar. Es sei ein "relativ niederschwelliges Angebot", mit dem neue Besucher in das Theater geholt werden sollen.