Schlaglichter der Sammlung: Spoerri's Gebisse am Gartenzaun
Aus Fundstücken vom Flohmarkt hat Daniel Spoerri seine Arbeit „Achat de Vieux Dentiers“ geschaffen. Sie schockiert bis heute.
Krefeld. Auf den ersten Blick mag man gar nicht glauben, was man sieht. An einem Lattenzaun hängen Bündel von künstlichen Gebissen. Auch gut 50 Jahre nach seiner Entstehung vermag das skurrile Werk von Daniel Spoerri beim Betrachter leichte Schauer auszulösen. „Die Gebisse sind echt“ erklärt Sabine Röder von den Kunstmuseen. 1963 kaufte der ehemalige Museumsdirektor Paul Wember die Arbeit direkt vom Künstler an, bis heute das einzige Werk Spoerris in der Sammlung.
„Die Gebisse hat Spoerri auf einem Pariser Flohmarkt erworben“ erzählt Restaurator Sebastian Köhler. Er hat das Werk kürzlich untersucht und behutsam restauriert. Zu den Gebissen gehört das große Holzschild mit der Aufschrift „Achat de Vieux Dentiers“, was auf den Verkauf benutzter Zahnprothesen hinweist.
„Spoerri hat den kompletten Stand gekauft, auf dem Schild befinden sich sogar noch zwei originale Zettel“ erklärt Köhler. „Ici on peut les essayer“ steht auf dem einen, eine Aufforderung zur Anprobe. Ein über dem Schild aufgehängtes Signalhorn ist eine weitere schräge Zutat des Künstlers.
Das eigenwillige Kunstwerk ist eng mit dem Kontext seiner Entstehungszeit verknüpft. In den 60er Jahren herrschte Aufbruchstimmung. Der 1930 in Rumänien geborene Spoerri, der auch Tänzer, Choreograf und Schriftsteller war, gehörte zu den vielseitigsten Figuren in der Szene. Er arbeitete früh mit Jean Tinguely zusammen und schloss sich der Künstlerbewegung des „Nouveau Realisme“ an. Deren Einfluss zeigt sich in Spoerris Vorliebe für vorgefundene Materialien.
Dazu gehören auch seine „Fallenbilder“, für die er zufällig entdeckte Gegenstände, wie Essensreste auf einem Tisch, fixiert und als Wandobjekte präsentiert hat. „Man kann sagen, er hat abgegessene Tische zu Kunstwerken erhoben“, sagt Sabine Röder.
Was an dem „Achat de Vieux Dentiers“ bis heute schockiert und fasziniert, ist die direkte Konfrontation mit einer ganz im Original belassenen Skurrilität. Der Künstler hat nichts verändert und beschönigt.
Sein eigener Kommentar, der in Wembers Buch „Kunst in Krefeld“ nachzulesen ist, bewegt sich sehr passend zwischen Poesie und Sachlichkeit. Er vergleicht die Gebisse mit vergilbtem Blätterwerk, sieht in dem seltsamen Verkaufsstand aber auch das Dokument eines verschwundenen, von „lächerlich-absurder Tragik“ umgebenen Berufs.