Landwirt ist für Glyphosat

Werner Schleupen findet das Mittel zur Unkrautvernichtung nicht gefährlicher als Kochsalz.

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Hüls. In den letzten Wochen beherrschte die Diskussion über das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat die politischen Schlagzeilen. Auslöser war Christian Schmidt. Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft aus der CSU stimmte jüngst gegen die offizielle Meinung der Bundesregierung im Alleingang der fünfjährigen Verlängerung der Zulassung des Herbizides auf EU-Ebene zu. Damit überging er wissentlich den Einspruch von SPD-Ressortkollegin und Umweltministerin Barbara Hendricks. Diskutiert wurde öffentlich mehr, ob dieses Verhalten falsch war, als darüber, ob Glyphosat für die Gesundheit von Mensch und Tier schädlich ist.

Während der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) aktuell Bauernpräsident Joachim Rukwied den „Dinosaurier des Jahres 2017“ wegen seiner rücksichtslosen Blockade einer umweltfreundlichen Agrarreform verleiht, wehren sich die Landwirte Werner Schleupen, Thomas Vennekel und Paul-Christian Küskens im Gespräch mit der WZ heftig dagegen, unverantwortlich zu handeln. Sie fühlen sich — trotz der jährlichen EU-Agrarsubventionen in Höhe von 55 Milliarden Euro an die Landwirte — von der Politik in entscheidenden Fragen im Stich gelassen.

Schleupen vertritt im Ehrenamt für die regionale Landwirtschaftskammer als Ortslandwirt die Krefelder Bauernschaft und betreibt auf seinem Hof Milchwirtschaft. Thomas Vennekel baut Kartoffeln und Gemüse an. Beide Landwirte unterhalten Höfe im Ortsteil Hüls. Landwirtschaftsmeister Paul-Christian Küskens ist Vorsitzender der Kreisbauernschaft Krefeld-Viersen und bewirtschaftet einen Hof für Milchwirtschaft in Niederkrüchten. Alle drei setzen Glyphosat ein und fühlen sich zu Unrecht „im Kreuzfeuer der Kritik“, wie Küskens sagt, „obwohl wir die Gesetze einhalten“.

Schleupen sieht das Vertrauen zwischen Landwirten und Verbrauchern nachhaltig gestört. Sein Eindruck ist, dass in den letzten Jahren immer wieder gezielte Kampagnen angezettelt wurden, um die Landwirte zu diskreditieren. „Die Ankläger bekommen dann zur besten TV-Abendzeit Wort und Gehör vor Millionen Zuschauern, denen wir nichts Gleichwertiges entgegensetzen können.“ Der Frust bei den Kollegen sei so groß, dass viele von deren Kindern lieber einen anderen Beruf wählen. Sein Sohn gehöre zum Glück nicht dazu und trete das Erbe an.

Zu Glyphosat hat Schleupen eine eindeutige Meinung: „Viele der verwendeten Pflanzenschutzmittel sind viel gefährlicher.“ Schon bei seinem Professor im Studium habe er gelernt, Glyphosat sei nicht gefährlicher als Kochsalz. Dann zählt er diverse wissenschaftliche Studien auf. Nicht eine davon weise nach, dass das Herbizid krebserregend oder für das Insektensterben verantwortlich sei. Er selbst pflüge den Acker lieber schonend und nicht so tief. Eine dünne Sprühschicht Glyphosat reiche schon aus, um Gras und Unkraut innerhalb kurzer Zeit abzutöten. „Das Mittel hat keine Langzeitwirkung und ist schon nach wenigen Tagen nicht mehr nachweisbar.“

Schleupen sieht den Ruf von Glyphosat derart ruiniert, dass es möglicherweise bald vom Markt genommen werde — ohne andere Folgen zu bedenken. Dabei sei es das weltweit beliebteste Unkrautvernichtungsmittel, für das es zudem keine Alternative gebe. Ersatzweise müsse man dann Gras und Unkraut viel tiefer unterpflügen. Mit erheblichen Nachteilen, seiner Meinung nach: „Mehr Nährstoffe werden mineralisiert, der Reststickstoff und der Nitratanteil im Boden erhöht sich, was die Wasserqualität verschlechtert und die Düngung unkalkulierbar macht.“

Bisher habe es für diese schonende Behandlung sogar Prämien gegeben, sagt er und hält das für widersprüchlich. „Aber diese Folgen werden öffentlich nicht sachlich oder gar nicht diskutiert“, klagt er.

Unterstützung erhält Schleupen von Vennekel. Die Unwissenheit und Verunsicherung der Verbraucher sind ihm ein Dorn im Auge. „Wir werden von Gesellschaft und Handel gezwungen, billige und sichere Lebensmittel zu produzieren, dabei waren die noch nie so günstig und sicher wie heute - nur die Verantwortung dafür will niemand übernehmen.“ Wenn jemand Kopfweh hat, nehme er ohne zu überlegen eine Tablette. Die Dosis von Glyphosat in der Landwirtschaft sei dagegen eine Lappalie. Gesellschaft und Politik müssten sich überlegen, wohin der Weg führen soll. Die Diskussion dürfe nicht allein auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen werden.

„Ich bin einer der wenigen Landwirte, die ohne Pflügen auskommen“, sagt Paul-Christian Küskens stolz. Das heißt, auch ohne umweltbelastenden Spritverbrauch für den Trecker. Nur zwei bis drei Liter Glyphosat, verdünnt in 200 Liter Wasser, bringe er auf einen Hektar Fläche auf, um Gras und Unkraut wegzukriegen. Die angebauten Pflanzen würde er bis zur Ernte nie direkt besprühen, eine Wirkung im Boden sei nicht nachweisbar.

Kritisch sieht er die Anwendung von Glyphosat nur dann, wenn sie vor der Ernte oder bei viel Regen erfolge, um eine gleichmäßige Reife und Ernte der Pflanzen zu erreichen. Das sei aber eher in norddeutschen und skandinavischen Ländern der Fall. „Es hilft allerdings nicht, Glyphosat in Deutschland zu verbieten und die weltweite Einfuhr von Lebensmitteln zu erlauben.“ Oder man müsste die Grenzen schließen.

Die Zulassungsverlängerung von Minister Schmidt sei richtig. „Wenn die EU glaubhaft sein will, sollte sie bis dahin die wissenschaftliche Grundlage schaffen, bevor entschieden wird.“ Das sei auch die Meinung des Landwirtschaftsverbandes und der Kreisbauernschaft.