DEBATTE Mehrheit ist gegen Pflichtdienst

Krefelder Politiker lehnen Idee eines Pflichtdienstes ab. Stadtratsvertreter setzen auf andere Lösungen für den sozialen Bereich.

Foto: Jan Woitas

Krefeld. Ein verpflichtendes Jahr bei der Bundeswehr oder in sozialen Einrichtungen wieder einzuführen, sehen Vertreter des Stadtrates mehrheitlich kritisch. Auf Bundesebene wird die Idee derzeit diskutiert. Nur Vertreter der Krefelder CDU halten sich noch mit einer Stellungnahme zurück, warten noch auf mehr Informationen. Die anderen Parteien finden, um auch in Krefeld beispielsweise die Pflege oder das Engagement in sozialen Organisationen zu verbessern, brauche es andere Lösungen.

„Wir stehen mit Blick auf das Grundsatzprogramm erst am Anfang der Diskussion, so dass wir der Meinungsbildung — auch innerhalb unserer Kreispartei — hier nicht vorgreifen wollen“, sagt Georg Alfes, Kreisgeschäftsführer der CDU Krefeld. Falls sich die Idee aber durchsetze, alle gesetzlichen Hürden genommen würden, so werde es in der Praxis ähnlich verlaufen wie beim Zivildienst oder beim Freiwilligen Sozialen Jahr — dieselben Einrichtungen würden davon profitieren.

„Das dramatische Fehlen von Fachkräften im Pflege- und Sozialbereich

kann und sollte nicht durch die Verpflichtung von Hilfskräften kompensiert werden“, sagt die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Gisela Klaer. Um die Situation vor Ort zu verbessern, brauche es vielmehr eine „gerechte und angemessene Entlohnung, bessere Arbeitsbedingungen und die optimale Qualifikation“ für alle, die in der Pflege beschäftigt seien. Sie setzt darauf, Menschen, die sich in sozialen, kulturellen und ökologischen Projekten engagieren, deutlich stärker zu unterstützen und die Förderung auszubauen. „Dies muss im Zentrum der politischen Debatten stehen.“ Die Menschen leisteten Enormes und es handele sich dabei um eine der „wichtigsten Aufgaben unserer Gesellschaft“. Eine Einführung eines Pflichtjahres bei der Bundeswehr bringe zudem keine Entlastung, im Gegenteil, sie führe zu hohen Kosten.

„Wir sind der Meinung, dass die Wehrpflicht als Zwangsdienst mit einem modernen Verständnis von Demokratie nicht zu vereinbaren ist“, sagt Peter Proff, stellvertretender Fraktionsgeschäftsführer der Linken. Grundrechte würden dadurch eingeschränkt. Aber auch Pflichtdienste im zivilen Bereich sind für ihn der falsche Weg, Personalmangel aufzufangen. Stattdessen setzte sich Die Linke dafür ein, die entsprechenden Berufe attraktiver zu gestalten — mit einer eigenen Kampagne.

Vor Ort sieht das so aus: „In den anstehenden Haushaltsverhandlungen wird sich die Ratsfraktion dafür einsetzen, dass die bestehenden sozialen Angebote in Krefeld erhalten und ausgebaut werden.“ Dazu gehöre auch die Arbeit von Vereinen, Initiativen und Verbänden der freien Wohlfahrtspflege in Krefeld. Auch Freiwilligendienste sollen unterstützt werden, solange sie „deutlich von Erwerbsarbeit und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen abgegrenzt werden“.

Die Grünen engagieren sich ebenfalls für das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ). „Meiner Ansicht nach ist es der falsche Weg, junge Menschen zu Gemeinwohlarbeit zu verpflichten“, sagt Heidi Matthias, Fraktionsvorsitzende. Eine deutliche Aufstockung der Vergütung im FSJ sei hingegen absolut notwendig. Nur so könne man mehr junge Menschen dazu motivieren, sich in entsprechenden Einrichtungen einzubringen. Eine Möglichkeit sei auch, Bonuspunkte einzuführen, so dass ein FSJ bei Bewerbungen für einen Ausbildungs-, Studien- oder Arbeitsplatz unmittelbare Auswirkungen habe.

Joachim C. Heitmann, Vorsitzender der FDP-Fraktion, verweist auf die Hürden bei der Einführung eines Pflichtdienstes, macht auf den Eingriff in die Freiheitsrechte aufmerksam. Seine Partei spricht sich daher gegen eine solche Maßnahme aus. Heitmann kritisiert auch einige Punkte in der Diskussion: „Es ist schlichtweg falsch, dass das ehrenamtliche und gemeinnützige Engagement in unserer Gesellschaft zurückgegangen sei. Das Gegenteil ist der Fall: Mehr Menschen als je zuvor engagieren sich in Deutschland ehrenamtlich und gemeinnützig.“ In Krefeld beispielsweise beobachte er dies in den Bürgervereinen, aber auch bei den zahlreichen Menschen, die sich bei der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen engagieren.

Für den Bereich Pflege sieht er ebenfalls keine Vorteile: Seine Partei befürchtet, dass bei einem Pflichtdienst junge nicht ausgebildete Menschen „zum Lohndumping der professionellen Pflegekräfte beitragen“. Stattdessen spreche sich die FDP dafür aus, die Pflegekräfte angemessen zu bezahlen und dadurch die Berufe attraktiver zu machen.