Energiewende Mit Wärme und Strom aus Abfall das Klimaziel erreichen
Krefeld · Krefeld ist seit den 1960er-Jahren in Deutschland einer der Pioniere bei der Kraft-Wärme-Kopplung und hatte früh Umweltschutz im Blick.
Krefeld hat eigentlich gute Voraussetzungen, um die Klimaschutzziele des Bundes bis 2050 zu erreichen. Bis dahin strebt die Stadt die Klimaneutralität an. Durch Senkung des Energieverbrauchs (wie Kohle, Erdöl und Erdgas) sollen zunächst bis 2030 der CO2-Ausstoß um mindestens 35 Prozent gegenüber 2017 (auf etwa 5,85 Tonnen pro Einwohner) und bis 2050 auf zwei Tonnen reduziert werden. Dazu sollen der Strom- und Wärmeverbrauch verstärkt durch erneuerbare Energien und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) gewährleistet sein. Das Potenzial dafür ist da. Mit der Versorgung Krefelder Haushalte durch Fernwärme ab 1961 hat Krefeld in Deutschland Energie-Geschichte geschrieben und vor 60 Jahren bereits den Grundstein für Eigenversorgung und Umweltschutz gelegt. „Das gilt es auszubauen“, sagt André Wilk vom Gutachterbüro „Wertsicht“, der das vor kurzem beschlossene Klimaschutzkonzept für Krefeld erarbeitet hat.
Mit einem Heizwerk im
Rathaus fing alles an
Mit dem Einbau eines Heizwerks im Keller des Rathaus beginnt die Fernwärmeversorgung in Krefeld – vornehmlich für die Innenstadt. Die Nachfrage steigt rasch. Das Stadtbild gewinnt durch den Wegfall der Schornsteine und der Ausstoß ungereinigter Abgase nimmt ab. Das Kohleschleppen und Befeuern von Öfen entfällt. 1963 bauen die Stadtwerke ein neues Heizwerk an der Hansastraße. Doch auch das reicht bald nicht mehr aus und deshalb entsteht 1974 das Blockheizwerk Bleichpfad im Zuge des Neubaus der Wohnanlage.
Zunächst die Förderung von Erdöl und folgend die Erschließung von Erdgasvorkommen weltweit leiten „eine Revolution der Energiewirtschaft ein“, wie es Ernst Köppen in seinem Buch „Kanalstraße 9“ zum 125-jährigen Bestehen der Stadtwerke Krefeld AG beschreibt. 1974, bei einer Exkursion nach Stockholm, besichtigt der Aufsichtsrat „eine technisch bewundernswerte Anlage für Müllverbrennung, aus der die schwedische Stadt beachtliche Zugaben an Strom und Fernwärme bezieht“. „Ausblicke auf einen Städteverbund, auf Eigenversorgung und Umweltschutz zeichneten sich ab“, zitiert Köppen Adolf Markard, den damaligen Vorsitzenden des Stadtwerkeausschusses. Die schwedische Anlage stand Pate für die Krefelder Müll- und Klärschlammverbrennungsanlage (MKVA), die 1976 die Lieferung von Fernwärme in das vorhandene Krefelder Netz übernimmt.
1981 wird ein weiteres, neues Heizwerk an der Schwertstraße in Betrieb genommen. 1997 beginnt mit der Inbetriebnahme der neuen Fernwärmeübernahmestation an der MKVA dann eine neue Ära in Krefeld. Aus Restmüll und Klärschlamm wird nun Energie in Form von Wärme und Strom. „Die thermische Verwertung ist CO2-reduzierend und nachhaltig“, erklärt der Geschäftsführer der Betreiber-Gesellschaft EGK, Hermann-Josef Roos. Die Verbrennung dieses Abfalls erfolge mit einem Primär-Energiefaktor von 0,0 gänzlich klimaneutral. Zum Vergleich: Öl oder Erdgas weisen einen erheblich höheren Primär-Energiefaktor von 1,1 auf. Mit 0,0 weist die Fernwärme somit den gleichen Wert wie beispielsweise Ökostrom aus Solaranlagen auf.
„Hocheffiziente und klimafreundliche Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen sowie Erneuerbare Energien spielen eine wichtige Rolle, um die Energiewende vor Ort mit lokal erzeugter Energie zum Erfolg zu führen, davon sind wir überzeugt“, ergänzt Kerstin Abraham, Vorstandsmitglied der SWK. Der Konzern bedient mit seinen Leistungen im Ent- und Versorgungsbereich die gesamte Wertschöpfungskette: Die GSAK sammelt Abfälle und Wertstoffe, die EGN sortiert und recycelt und die EGK verbrennt und wandelt Restabfälle um in Energie. So entsteht aus Abfall neue Nutzenergie.
Um die gesetzten, notwendigen Klimaschutzziele in Krefeld zu erreichen, soll der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung an der Energieerzeugung laut des Krefelder Klimaschutzkonzeptes stärker ausgebaut werden. „Im Zuge des Projekts Fernwärme 3.0 wird derzeit untersucht, wie man die Fernwärmeversorgung in Krefeld effizienter betreiben kann“, erklärt SWK-Unternehmenssprecherin Dorothee Winkmann. Die Bedeutung konventioneller Wärmeerzeuger werde zukünftig abnehmen. Gleichzeitig soll der Anteil nachhaltiger Wärmequellen oder überschüssiger, industrieller Prozesswärme gesteigert werden.
Dazu prüfen der Chempark-Betreiber Currenta, die Stadtwerke und die Entsorgungsgesellschaft Krefeld (EGK), ob der in der Kraft-Wärme-Kopplungsanlage der MKVA erzeugte überschüssige Dampf in den benachbarten Chempark als Ergänzung seiner Dampfversorgung abgegeben werden könnte. Durch den Verkauf des überschüssigen Dampfes könnte die Wirtschaftlichkeit der MKVA erhöht werden, gleichzeitig müsste diese Menge nicht im Chempark mit fossilen Brennstoffen erzeugt werden und würde so entsprechende CO2-Emissionen einsparen.
Wo die direkte Versorgung mit Fernwärme aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist, greift die dezentrale Kraftwärmekopplung. Die ersten beiden Mini-Blockheizkraftwerke haben die SWK Ende 2016 an der Vulkanstraße und im Fischelner Schwimmbad in Betrieb genommen. Ausbaupotenzial gibt es also zu genüge, vorausgesetzt, es wird darin investiert.