Familienbetrieb existiert seit 1919 In 50 Jahren nie zu spät zum Termin
Süd. · Karl-Heinz Monderkamp besucht wegen Corona nun seine Kunden zu Hause.
Sie sind so etwas wie Museumsstücke: Ein alter Fönkamm, alte Rasiermesser, dazu eine der ersten elektrischen Haarschneidemaschinen. Manche sind Mitbringsel, Geschenke von Freunden und Kunden. Alles zu finden in seinem Schrank. Karl-Heinz Monderkamps Herrensalon an der Gladbacher Straße wirkt auf den ersten Blick ein bisschen aus der Zeit gefallen. Holzvertäfelungen, Keramik. Manches Interieur hat schon sieben Jahrzehnte hinter sich, alle Renovierungen überdauert. „Man sagte mir, dass das alles wieder modern wird“, erzählt der Friseurmeister.
Es ist und war ein Arbeitsplatz für ihn allein. Seit 30 Jahren. Nichts konnte dem Familienbetrieb seit 1919 etwas anhaben. Kein Weltkrieg, keine Wirtschaftskrise. Es musste schon das Coronavirus kommen und die Pläne durchkreuzen. Bald soll Schluss sein mit dem Geschäft im Südbezirk. Wann? Das weiß Monderkamp noch nicht. Mit 75 will er sich noch nicht zur Ruhe setzen. Derzeit fährt er zu seinen Kunden nach Hause und schneidet ihnen in den eigenen vier Wänden die Haare. Die Auflagen, den Salon mit all den Hygienemaßnahmen zu öffnen, konnte er nicht erfüllen, so erzählt er. Als Ein-Mann-Betrieb hätte er zig Dinge gleichzeitig machen müssen. Unmöglich.
Sein Großvater hatte den Salon nach dem Ersten Weltkrieg aus der Taufe gehoben. Sein Vater kaufte nach dem Zweiten Weltkrieg das Haus, baute es um. Der Großvater zog aus, dafür wurde Platz für einen Damen-Salon. Der Vater war ein passionierter Haarschneider. Sein Filius sollte es ihm gleichmachen. Tradition in der Familie. „Mein Vater redete mir immer ein: Du wirst später Friseur.“ Mit 22 Jahren ist Karl-Heinz Monderkamp am Ziel. 1967 wird er Meister, als der jüngste Krefelder in der Innung. Er beherrscht als einer der Ersten den Messerschnitt. Danach machte er sich selbstständig. 1971 übernahm er nach dem Tod des Vaters den Betrieb.
Ab 1985 verpachtete er den Damen-Salon. Zu einer Zeit, als er noch über 700 Kunden in seiner Kartei verwaltete. Es wurden mit der Zeit aber immer weniger. Einst lernte er drei bis neue Gesichter am Tag kennen, heute wäre es vielleicht einer im Monat. Freundschaften entstanden, die Leute kamen immer wieder. Aber mit der Zeit sah Monderkamp sie immer seltener. Manche sind bereits gestorben. Neue Kunden unter Jugendlichen zieht der 75-Jährige eher nicht an. Den Kampf an der Preisfront will er nicht mitmachen: „Ich bin kein Billig-Friseur. Das mache ich aus Prinzip nicht.“ Der Wandel des Viertels geht auch einher mit der Veränderung der Nachbarschaft. Es gibt mehr Friseursalons. Früher zog Monderkamp seine Kunden noch aus der Nachbarschaft, frisierte er Mitarbeiter der umliegenden Geschäfte. Lange her. Heute führt Monderkamp immer noch Buch über seine treuen Kunden. Er fährt zu ihnen in die Vororte. Nach Forstwald, Traar, Verberg, aber auch nach Willich, Schiefbahn.
Mit 75 Jahren ist er noch mobil und voller Tatendrang: „Es macht mir Spaß. Ich kann die Termine selbst legen“, sagt das Kriegskind Monderkamp, ein Mann vom alten Schlag: „Ich bin in 50 Jahren noch nie zu spät zu einem Termin gekommen.“ Wehmut beschleicht ihn, wenn er heute durch seinen Salon geht. Die Stätte seines Werks und das seiner Vorfahren. Das Haus gehört ihm zusammen mit seinem Bruder. „Vielleicht werden wir das Haus verkaufen. Aber wir warten erst einmal ab.“ Ein Nachfolger wäre ihm lieber, doch niemand ist in Sicht. Sein Sohn, 49, käme dafür aber nicht in Frage.
Monderkamp wird die Schere und das Messer noch nicht zur Seite legen. Seine treuen Kunden können sich auf ihn verlassen. Manche kennt er seit 60 Jahren. Er fühlt sich fit, urlaubt jedes Jahr an der frischen Luft auf Borkum, fährt mit dem Rad. Aufgeben will er nicht.