Architektur Mut zu Spielregeln für die Innenstadt

Schwanenmarkt vor Neubau — Expertin Claudia Schmidt warnt: Jetzt keinen Fehler machen.

Claudia Schmidt berät den Krefelder Gestaltungsbeirat und vertritt eine deutliche Meinung zu einem Krefelder Leitbild.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Krefeld. Eine der wichtigsten Entscheidungen zur Krefelder Innenstadtentwicklung steht unmittelbar bevor. Architektin Claudia Schmidt, die seit zwei Jahren dem Gestaltungsbeirat zur Seite steht, sagt sogar: „Der anstehende Umbau des Schwanenmarkts ist das Jahrhundert-Projekt für Krefeld. Eine Riesenchance, um die Fehler aus 65 Jahren Bausünde zu korrigieren.“ Diese Entscheidung, so Schmidt, könne nämlich genauso gut in einer „urbanistischen Bankrotterklärung“ münden, sollte die Politik „weich werden“ und zum Beispiel den Wünschen des Investors nach einer neuen, noch größeren Hochgarage an der Breite Straße nachgeben.

Foto: Andreas Bischof

Schmidt setzt auf Qualität im öffentlichen Raum. So solle der Alte Markt um den Schwanenmarktbrunnen wieder als Kulisse für urbanes Leben gestaltet werden, mit Außengastronomie vor der Südfassade. „Der Eingang des Einkaufszentrums muss dafür an die Ecke der Evertsstraße verlegt werden. Ein bisschen mehr Dolce Vita, ein bisschen weniger Vero Moda. Dafür braucht man Mut.“

Konkret meint Schmidt unter anderem den Umgang mit Investoren. Ein Beispiel: „P & C hatte man etwa erlaubt, fünf Meter in die Friedrichstraße hineinzubauen, damit die wieder nach Krefeld zurückkehren.“ So mancher Akteur, mit dem Schmidt gesprochen habe, würde heute womöglich anders entscheiden, sagt sie. Umso wichtiger sei ein klares Leitbild, wie man in Krefeld bauen wolle. „Man muss auch mal was fordern und vor allem nicht so schnell die Nerven verlieren“, erklärt Schmidt.

Nach der wichtigen Grundsatzentscheidung gegen ein Shopping-Center in der Stadt und für eine „Stadt als Einkaufszentrum“ sei die Zeit gekommen, die Voraussetzungen für einen nachvollziehbaren Handlungsplan zu schaffen, den es bislang noch nicht gibt. Orientieren soll sich der an Wünschen, die hier in Krefeld immer wiederkehren: an der Innenstadt als Wohnstandort, auch innerhalb der Wälle etwa, an einem kompakten Einzelhandel, hoher Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum und nicht zuletzt am historischen Stadtgrundriss Krefelds. Dazu gehören die Vier Wälle von Vagedes, genauso wie das mittelalterliche Stadtherz.

Schmidt argumentiert: „Optimal, um Krefeld stadtplanerisch wieder ins 21. Jahrhundert zu katapultieren. Ein bundesweites Alleinstellungsmerkmal, das die Historie gleichermaßen berücksichtigt wie die moderne Entwicklung. Das klare Raster des Stadtgrundrisses zum Beispiel eignet sich für eine offenere Logik der Verkehrsplanung. Eine, die mit einem Drittel an Schildern und ohne Reservate für Fußgänger auskommt. Der Vagedes-Plan als Grundlage würde zudem ein tolles Radfahrnetz ermöglichen, das in Krefeld noch unterbelichtet ist.“

Das mittelalterliche Stadtherz wiederum ist nahezu deckungsgleich mit dem kompakten Einkaufsbereich der Innenstadt.

Schmidt wirbt bei allen Akteuren für dieses Leitbild, das harte Kriterien auf wissenschaftlicher Basis entwickeln soll, auf deren Grundlage dann auch ein Gestaltungsbeirat seine Empfehlung besser und effektiver für die Politik ausarbeiten könne. „So wie es in Holland zum Beispiel in der Gemeindeordnung verankert ist. Es erleichtert die Arbeit des Gestaltungsbeirates und macht sie für Andere nachvollziehbar.“ Claudia Schmidt muss das wissen, sie betreibt ein Planungsbüro in Amsterdam. Und macht kein Hehl daraus: „Ich werde mich auch um die Erstellung dieses Leitbilds bewerben. Krefeld ist meine Heimat, hier gibt es so großes Potenzial.“

Zurück zum Schwanenmarkt: Natürlich habe Krefeld hausgemachte Probleme. „Zum Beispiel die Neuordnung der nördlichen Innenstadt aus der Nachkriegszeit, die Bereiche wie den Theaterplatz oder die nördliche Lohstraße fußläufig unerreichbar gemacht haben.“ Aber gerade die kleinen Gassen rund um den Schwanenmarkt seien seit über 600 Jahren erhalten geblieben. Wenn ihre Bebauung neu gefasst werde, bestünde die Chance, die Stadtarchitektur wieder lesbar zu machen.

„Auch die viel jüngere Breite Straße, die derzeit eher Hinterhofcharakter hat, könnte davon profitieren, da wird immerhin ein Drittel des historischen Stadtkerns umgebuddelt.“

Beim Schwanenmarkt-Projekt wurden mit dem Gestaltungsbeirat Grundlagen erarbeitet. Zweimal hat der Gestaltungsbeirat die Pläne der Investoren moniert, zweimal sind sie mit minimalen Veränderungen wieder zurückgekommen. „Da hört jemand nicht zu“, sagt Schmidt, die statt der geplanten Hochgarage in jedem Fall unterirdische Parkplätze sehen wollen würde, und darüber guten Wohnungsbau. „Und den Alten Markt als neues Wohnzimmer für die Stadt.“