Krefeld Nach Terror in Paris: "Ich fahre ohne Angst zur EM"

Krefeld. Bei Daniel Staude steigt die Vorfreude jeden Tag ein Stück mehr. Am Sonntag geht es endlich los: Der Krefelder macht sich mit Tausenden anderen Fans auf den Weg zur Fußball-Europameisterschaft nach Frankreich.

Foto: Dirk Jochmann

In Lille wird er live im Stadion sein, wenn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft mit dem Spiel gegen die Ukraine in die Europameisterschaft 2016 startet.

Der 33-Jährige wird auch die weiteren Gruppenspiele gegen Polen und Nordirland vor Ort verfolgen. „Karten für ein Halbfinale oder ein Finale mit deutscher Beteiligung habe ich auch“, grinst Daniel Staude, der fester Bestandteil der Fanszene des KFC Uerdingen ist.

Drei Vorrundenspiele der deutschen Nationalmannschaft, dazu die Möglichkeit aufs Halbfinale und Finale: Bei der Aussicht auf so viel Spitzensport dürfte wohl jeder Fußballfan neidisch werden.

Für Daniel Staude, der bereits zum dritten Mal in Folge dem Team von Trainer Jogi Löw bei einer EM nachreist, war der Antritt zu dieser Reise jedoch auch eine Abwägungssache. Denn für den gelernten Kaufmann wird die Frankreich-Reise auch eine Konfrontation mit schicksalhaften Stunden voller Angst und Ungewissheit.

Daniel Staude war am 13. November 2015 zusammen mit seiner Freundin im Pariser Fußball-Stadion beim Länderspiel zwischen Deutschland und Frankreich, als Terroristen an fünf verschiedenen Orten in der französischen Hauptstadt bei Anschlägen 130 Menschen töteten und 352 verletzten.

„Wir waren damals mit einer Gruppe von 18 Leuten in Paris“, erinnert sich Daniel Staude rund sieben Monate nach den Pariser Anschlägen, als sei es gestern gewesen. „Es war ein ganz normales Spiel, bis sich die ersten beiden Explosionen ereigneten.“ Die beiden Krefelder sitzen damals im Stadion nur rund 250 Meter von dem Restaurant entfernt, in dem sich einer der Selbstmordattentäter in die Luft sprengt.

Die Erinnerungen an diesen traurigen Tag wird der Krefelder nicht mehr aus seinem Gedächtnis löschen können. Trotzdem sagt Daniel Staude ganz bewusst: „Ich fahre ohne Angst zur Europameisterschaft. Das ist doch genau, das, was diese Menschen, die diese unfassbaren Taten ausgeführt haben, wollen. Sie wollen unser Leben beeinträchtigen — und genau das werde ich nicht zulassen.“

Es sind Äußerungen, die seine Eltern mit Unbehagen hören. „Sicherlich gab es da auch innerhalb der Familie Diskussionen.“ Um den Familienangehörigen und Freunden daheim etwas die Sorge zu nehmen, will Staude in einer Whatsapp-Gruppe zusammen mit seinen Mitreisenden die Daheimgebliebenen immer über den aktuellen Stand der Dinge informieren. „Ich glaube, dass tut denen zuhause ganz gut“, sagt er.

Die Karten für die Vorrundenspiele hat der 33-Jährige über den Fanclub Nationalmannschaft erhalten. „Zusammen haben sie 240 Euro gekostet. Sollte die deutsche Mannschaft nicht ins Halbfinale kommen, erhalte ich das Geld für das Halbfinal- und das Finalticket zurück.“

Das Finale wird im Pariser Stadion Stade de France in der Ortschaft Saint-Denis stattfinden. Es ist das Stadion, das im vergangenen November zum Ziel von Terroristen werden sollte. Die deutsche Mannschaft spielt bereits in ihrem 2. Gruppenspiel gegen Polen dort. „Für mich wird das wohl der aufwühlendste Moment der gesamten EM“, sagt Daniel Staude. „Ich versuche, jetzt nicht groß daran zu denken, kann aber nicht sagen, wie meine Gefühlslage direkt vor dem Spiel sein wird.“

Aus sicherheitstechnischer Sicht macht sich der Krefelder keine Sorgen. „Es wird wohl kaum einen Ort geben, der besser bewacht ist, als die Stadien bei der EM direkt“, sagt er und ergänzt: „Nicht zuletzt der vereitelte Anschlag in Düsseldorf hat aber ja gezeigt, dass der Terror auch Ziele in unserer unmittelbaren Umgebung ins Visier genommen hat.“

Mit Staude werden viele Bekannte reisen, die im November ebenfalls in Paris im Stadion waren. Es gibt aber auch aus dieser Gruppe Einzelne, die die Attentate vor rund sieben Monaten von einer erneuten Reise nach Frankreich abhalten. „Manche haben sich aufgrund der Ereignisse von damals dagegen entschieden, mit zur EM zu fahren“, berichtet Staude.

Er kann diese Entscheidung nachvollziehen. „Das, was damals passiert ist, war heftig. Ich hoffe, dass wir im Sommer davon verschont bleiben und nur der Fußball im Vordergrund steht.“