Autismus Paul lebt in seiner eigenen Welt

Seit seinem dritten Lebensjahr lebt der Junge mit der Diagnose Autismus. Seine Familie hat bei der Lebenshilfe Unterstützung gefunden.

Toben, klettern, spielen — Paul hat sich im Haus am Berg schon gut eingelebt. Er ist, das sagt seine Gruppenleiterin, den anderen Kindern immer ein bisschen voraus.

Foto: Lebenshilfe

Krefeld. Paul hat heute gute Laune: Der Spaziergang vom Haus am Berg zum Spielplatz macht ihm Vergnügen. Vielleicht wegen des Sonnenscheins, vielleicht wegen der besonderen Zuwendung des Fotografen. Denn Paul ist Autist, seine Gefühlswelt ist eine ganz besondere. Menschen mit so genannten „Autismus-Spektrum-Störungen“ können nur schwer Zusammenhänge im sächlichen und sozialen Bereich bilden. Soll heißen: Paul merkt, dass er heute irgendwie mehr Aufmerksamkeit bekommt als die anderen Kinder.

Foto: Lebenshilfe

Aber das hindert ihn nicht daran, in seiner eigenen Welt unterwegs zu sein. Zuerst schaukelt er eine Runde in seinem Garten, dann balanciert er mit Gruppenleiterin Nadine van Mierlo über einen Baumstamm und kann das anschließend sogar alleine. Er kann auch am Gartentor auf die anderen Kinder und Mitarbeiter warten — Paul hat im „Haus am Berg“ schon eine Menge gelernt.

Der sechsjährige Junge lebt seit einem dreiviertel Jahr in der Einrichtung der Lebenshilfe. Es wurde 2004 als Wohnhaus für Kinder und Jugendliche mit Autismus bezogen — die erste Generation ist mittlerweile erwachsen und konnte in das Wohnhaus „Alte Landstraße“ umziehen. Die zwölf Plätze wurden frei. „Das war unser Glück“, sagt Isabelle Schulz-Externbrink. Pauls Mutter hat seit der Geburt ihres Sohnes — eigentlich seit der schwierigen Schwangerschaft — wie eine Löwin um das Wohl ihres Kindes gekämpft: „Um Hilfe zu bekommen, mussten wir die Ärmel bis zur Achsel aufkrempeln“, erzählt die energische Frau. Denn erst nach Pauls drittem Geburtstag bekamen sie im Herbst 2013 die Diagnose: atypischer Autismus.

„Dass wir so relativ früh zu einer Diagnose gekommen sind, ist unserer Beharrlichkeit zu verdanken. Wir waren nämlich der festen Überzeugung ,da stimmt was nicht’, und stießen damit auch auf Widerstände, Fristen und Wartezeiten. Die institutionell zur Verfügung stehenden Informationen sind dürftig und der Weg zu adäquater Hilfe ist alles andere als transparent“, fassen die Eltern diese Zeit der Unwissenheit zusammen. „Die Autismus-Ambulanz-Niederrhein war das einzige Floß, auf das wir uns stützen konnten“, sagt Isabelle Schulz-Externbrink.

Ein Mitarbeiter verwies sie dann zwei Jahre später an die Lebenshilfe in Krefeld. „Ich habe ganz oft da angerufen“, sagt sie. „Ich hatte riesiges Glück, dass ich in die Umzugsphase reingerutscht bin.“ Denn der Familie war klar: „Wir brauchen für Paul eine Unterbringung, wir schaffen das nicht mehr.“ Für die Eltern und die drei Geschwister war es eine schmerzliche Erfahrung, dass sie ihrem Sohn und Bruder nicht geben konnten, was er braucht. Doch der Umzug des Jungen hat allen gutgetan. „Ich weiss, das Paul durch das soziale Netzwerk und seine Geschwister auf ein qualitativ hochwertiges Leben vorbereitet wird“, sagt die Mutter. „Er braucht etwas anderes als die anderen Kinder und ich.“

Sie ist den Mitarbeitern im „Haus am Berg“ dankbar: „Das ist für mich eine Altersversicherung.“ Paul weiss von allen diesen Überlegungen nichts. Sein Verhalten zeigt aber, dass er sich wohlfühlt. Da Paul gerade aus der Schule gekommen ist — er besucht die Pinguinklasse der Friedrich-von-Bodelschwingh-Schule in Gartenstadt —, zieht er sich schnell um. Es muss unbedingt der gestreifte Pullover sein! Damit läuft Paul vergnügt den Hügel hinauf.

Der Sechsjährige ist den andern Kindern aus seiner Gruppe ein bisschen voraus, das sagt seine Gruppenleiterin. Auch auf dem Spielplatz schaukelt er eine Runde, klettert auf ein paar Felsen und balanciert auf einem kleinen Steinmäuerchen. „Paul hat hier schon sehr viel gelernt“, sagt Heilerziehungspflegerin Nadine van Mierlo, die mit Eröffnung der Gruppe Meer im vergangenen Jahr ihre Arbeit aufgenommen hat.

Das erkennen die Eltern, die von Erschöpfung und Gewissensbissen erzählen können, an. Sie blicken auf das Positive: „In der Schule lernt er Alltagskompetenzen. Und zwei Jungen aus dem Haus am Berg sind schon seine dicksten Freunde geworden.“ Red