Interview Joy Denalane: „Ich bin eine totale Optimistin“
Die Soul-Sängerin Joy Denalane spricht über ihr neues Album „Gleisdreick“. Das präsentiert sie im Mai in der Kufa.
Krefeld. Die Soul-Sängerin Joy Denalane spricht über ihr neues Album „Gleisdreick“. Das präsentiert sie im Mai in der Kufa.
Du wirst jetzt bald mit deinem neuen Album „Gleisdreieck“ auf Deutschland-Tour gehen. Im Gleisdreieck, einem Flecken Nichts zwischen Berlin-Kreuzberg und -Schöneberg, hast du in deiner Kindheit viel Zeit verbracht. Was war das für ein Ort?
Joy Denalane: Das war der Ort, wo ich großgeworden bin und der mich stark geprägt hat. Das Gleisdreieck war eine unbebaute Fläche, die ich gemeinsam mit meinen Brüdern und Freunden durchstreift habe. So wie viele andere Kinder auch. Sie kamen aus unterschiedlichen Verhältnissen, hatten verschiedene Biografien und haben mir Einblick in ihre Welt gegeben. Das hat mich aufs Leben vorbereitet.
Das Thema Heimat spielt auf deinem Album eine wichtige Rolle, ein Begriff, der momentan eine Renaissance erfährt und auch von Rechten okkupiert wird. Was bedeutet er für dich?
Denalane: „Heimat“ — das Wort verwende ich nicht so oft. Ich sage eher „Zuhause“. Das bedeutet für mich Zugehörigkeit, es ist ein Ort des Rückzugs, muss aber nicht unbedingt der Ort sein, wo man herkommt. Trotzdem finde ich, dass man sich bestimmte Begriffe nicht wegreißen lassen darf, nur weil sie von anderen negativ besetzt werden.
Im vergangenen Jahr ist ein Knoten geplatzt und hat viel Hass freigesetzt. Spürst du das im Alltag?
Denalane: Ich spüre das sehr stark. Aber es ist nicht die erste Welle von Hass und Ausschluss. Die erste Welle war nach der Wiedervereinigung. Und bereits vor zwei bis drei Jahren hat sich wieder gezeigt, dass ein Riss durch die Gesellschaft geht. Viele Menschen haben einen inneren Rechtsruck vollzogen. Aber es gibt auch die anderen, die sich dagegen formieren und einmischen, weil sie eine andere Geschichte schreiben wollen. Das ist auch eine Chance.
Nichts ist sicher, das hört man in vielen deiner Songs heraus. Aber das ist kein Grund, den Kopf hängen zu lassen. Auch davon erzählst du. Das macht den Eindruck, als wärst du Optimistin.
Denalane: Ich bin eine totale Optimistin, alleine schon familiär bedingt. Ich bin ja Mutter. Man möchte Kinder, weil man davon ausgeht, dass sie es gut haben werden. Natürlich gibt es manchmal untragbar schwierige Situationen. Aber schon als kleines Kind habe ich mir immer gedacht: „Egal, bald ist das nicht mehr wichtig.“
Du hast dir sechs Jahre Zeit mit deinem neuen Album gelassen. Warum?
Denalane: Vor einigen Jahren habe ich bereits damit begonnen, Songs in New York aufzunehmen. Ich hatte sogar das Material für ein Album zusammen und habe es zu Hause vorgestellt — bereits im Sinne einer Kampagne. Aber dann habe ich im letzten Moment die Notbremse gezogen. Die Lieder waren gut, viel Arbeit steckte drin, aber sie spiegelten nicht das wider, was mich interessiert. Das war ein harter Moment, weil ich mit Kollegen an diesem Album, dieser Vision, gearbeitet und natürlich auch Geld ausgegeben habe. Aber ich wollte mich nicht wiederholen und habe wieder bei null angefangen. Mit einem größeren Team. Und ich habe das Songwriting ausgelagert. Das war spannend, richtig und wichtig.
Bei „Gleisdreieck“ scheint es dir aufs Erzählen anzukommen, du nimmst dich stimmlich zurück.
Denalane: Ja, ich wollte auch gesanglich etwas Neues ausprobieren. Virtuos zu singen, ist schön und gut. Aber ich wollte sehen, was passiert, wenn ich den Stuck abschlage. Das Allerwichtigste für einen Künstler ist es doch, sich bewusst zu machen, dass man nur sich hat, eine Stimme, einen Körper - und da sollte man sich Wahrhaftigkeit bewahren. Und das habe ich versucht.
Du bist jetzt bald wieder live zu erleben. Hast du die Bühne vermisst?
Denalane: Ich habe es vermisst, in eigener Sache unterwegs zu sein. Das ist das Beste, dafür mache ich das Ganze ja eigentlich. Ich werde eine Band dabei haben und wir werden viel vom neuen Album spielen, aber natürlich auch alte Songs. Das wird schön.