Seide als Zukunftsmodell
Aus dem Industriedenkmal Haus der Seidenkultur wird ein modernes Museum. Eröffnung ist am 3. April.
Krefeld. Das Haus der Seidenkultur hat zwei Eingänge und zwei Treppenhäuser. Das eine ist herrschaftlich und prunkvoll, das andere ein dunkler Flur, an dessen Ende eine schmale Wendeltreppe nach oben führt. Dies war der Weg der Lieferanten und der einfachen Arbeiter, die an den Jacquard-Webstühlen im ersten Stock noch bis in die 90er Jahre hinein edle Paramente für den Klerus herstellten.
Die Besucher werden ab April beide Treppenhäuser zu sehen bekommen und so umfassend wie nie in die Geschichte der Stadt wie Samt und Seide eintauchen. Am 3. April wird das rundum sanierte Haus der Seidenkultur eröffnen, und aus dem beeindruckenden Industriedenkmal wird ein modernes Museum erwachsen sein.
„Wir werden mit einem komplett neuen Konzept an den Start gehen, das wir selbst entwickelt haben“, erklärt Hansgeorg Hauser, Vorsitzender des Fördervereins Haus der Seidenkultur. Die Besucher sollen an der Luisenstraße den Weg von der Seidenraupe zum Seidenfaden, vom Weben und Konfektionieren bis zum Endprodukt verfolgen können. Auch die Öffnungszeiten sollen erweitert werden. „Wir hoffen, dass mit der Wiedereröffnung ein gewisser Boom einsetzt“, erklärt Hauser.
Bereits jetzt ist die Neuausrichtung zu ahnen, an der laut Hauser auch Experten vom Museum für Angewandte Kunst in Köln mitgewirkt haben. Obwohl noch viel Arbeit auf die Verantwortlichen wartet, wirkt das Haus in weiten Teilen nicht mehr wie eine Baustelle.
In den beiden hellen Ausstellungssälen im Erdgeschoss fehlt nur noch die Inneneinrichtung, künftig werden dort die Wechselausstellungen zu sehen sein. Dahinter liegt der neue Medienraum mit Beamer und Lautsprechern, wo Besucher den Film „Der letzte seines Standes“ sehen können. Eine Küche und ein Abstellraum erleichtern den ehrenamtlichen Helfern und den Museumspädagogen die Arbeit.
Bei den Workshops wird künftig auch der neu gestaltete Webergarten eine Rolle spielen. Ein Maulbeerbaum soll dort stehen, er liefert die bevorzugte Nahrung für die Seidenraupe. Auch traditionelle Färbepflanzen wachsen dann im Garten, so dass Kinder die Farbstoffe für ihre selbst gestalteten Textilien vor Ort gewinnen können.
Im vorderen Bereich des Hauses entstehen der neue Shop und ein Bistro. „Dort wird es eine Tasse Kaffee und manchmal auch ein Stück selbst gebackenen Kuchen geben“, verspricht Hauser. Wie bisher werden dort Krawatten und andere Produkte des Hauses verkauft.
Im ersten Stock, am oberen Ende der herrschaftlichen Treppe, finden Besucher eine Bibliothek und den Paramentenraum, in dem die Produkte der früheren Seidenfabrik Gotzes ausgestellt sind. Im Konfektionsgang sind weitere Stoffe zu sehen und dürfen auch angefasst werden. In diesem Bereich lag vor dem Umbau eine Privatwohnung, die erst jetzt zugänglich wird und dem Museum 60 Quadratmeter zusätzlichen Platz verschafft.
Während die sanierten Räume hell und modern wirken, hat der Websaal seine ursprüngliche Anmutung behalten. Unter der schiefen Zimmerdecke steht auf 150 Jahre alten Dielen ein halbes Dutzend Jacquard-Webstühle. „Das ist und bleibt das Herzstück unseres Museums“, sagt Hauser. Nur hier kann man miterleben, wie die Handweber seinerzeit gearbeitet haben.
Dass die Männer, die dieses komplexe Handwerk noch beherrschen, allesamt im hohen Alter sind, bereitet Hauser nach wie vor Sorgen. Er hofft darauf, nach der Wiedereröffnung jüngere Freiwillige zu finden, die Interesse haben, das Weben zu lernen. Für alle Fälle haben die Aktiven einen fünfstündigen Lehrfilm gedreht, der den Prozess Schritt für Schritt erklärt: „Wenn jemand diesen Film in 50 Jahren findet, kann er damit die Bedienung der Webstühle lernen“, sagt Hauser.
Denkbar wäre auch, dass in der hübschen Mietwohnung, die unter dem Dach entstanden ist, ein Kunsthandwerker einzieht, der sich im Haus engagiert. „Er könnte Gäste durchs Haus führen, die Webstühle zeigen und seine eigenen Arbeiten bei uns im Shop verkaufen.“