Arbeitsmarkt Siempelkamp prüft Tarifausstieg
Plan außerdem: keine neuen Azubis in 2017. Belegschaft hat Angst vor der Zukunft und tritt in IG Metall ein.
Krefeld. Die Belegschaft des Maschinen- und Anlagenbauers Siempelkamp ist nicht zu beneiden. Zumindest nicht im laufenden Jahr. Zum tatsächlichen Abbau von 350 Stellen gesellt sich eine weitere Ungewissheit: Nach WZ-Informationen berät der Beirat der Holding in diesen Tagen darüber, mit allen fünf Firmen auf dem Siempel-Gelände im Inrath aus dem Flächentarif in der Metall- und Elektrobranche auszusteigen. Es ist wohl ein Fachanwaltsbüro mit der Prüfung beauftragt. Die Mitarbeiter haben Angst. Um ihre Jobs, vor der Zukunft. Außerdem will das Traditionsunternehmen 2017 auf die Neueinstellung von Azubis verzichten.
Derweil ist die Einladung zur Betriebsversammlung raus. Die ist am 3. November, eingeladen hat der Betriebsrat. Die Belegschaft hofft dort auf klare Worte von Geschäftsführer Hans Fechner, auf ein Bekenntnis zum Tarif. Doch das wird es wohl nicht geben. Das weltweit aktive Unternehmen ringt in einem schwierigen Markt um seinen Kurs, eine Entscheidung über den Verbleib im Flächentarif erwarten Insider Anfang 2017.
Eine Entscheidung über die Neueinstellung von Auszubildenden, genauer eine dagegen, scheint bereits gefallen. Auch dieses Thema steht auf der Tagesordnung für die Betriebsversammlung. Dem Vernehmen nach herrscht großer Unmut über diese Pläne, die auch ein Signal darstellen. Zuletzt wird es noch um den weiteren Personalabbau in der Maschinenfabrik gehen. Der Betriebsrat hat bislang nach Kräften erfolgreich agieren können. Es geht jetzt noch um 70 Menschen, deren Zukunft ungewiss ist. „Vielleicht sogar weniger“, hofft der Betriebsratsvorsitzende Ralf Siewert. „Einige besitzen auslaufende Zeitverträge, viele sind derzeit in einer Auffanggesellschaft zur Qualifizierung.“
Siewert gibt sich zum aktuellen Thema gewohnt zurückhaltend. Die Ausstiegspläne aus dem Flächentarif muss er aber bestätigen. „Ja, es ist richtig, dass es solche Überlegungen offenbar gibt. Wie weit diese gediehen sind, weiß ich nicht, ich kann auch nur immer wieder nachfragen.“ Siewert sagt aber auch: „Wir dürfen davon ausgehen, dass Herr Fechner das aus seiner Sicht Beste für das Unternehmen möchte. Ich erlebe ihn als jemanden, der um Lösungen bemüht ist.“ Blumen für einen, der zuletzt eine Menge Porzellan zerschlagen hat. Im Juni scheiterte er mit einem Antrag auf Tarifabweichung bei der IG Metall. Siempelkamp wollte nach den Tarifverhandlungen vom Frühjahr die erstrittene Einmalzahlung von 150 Euro sparen. Die Gewerkschaft befragte jedoch ihre Mitglieder und die haben freundlich abgelehnt. Kein Wunder, das Unternehmen hatte wenige Monate vorher seinerseits bei den Verhandlungen um den Personalabbau eine Tarifabweichung zur Rettung von Arbeitsplätzen ausgeschlossen.
Hans W. Fechner soll sich derart darüber aufgeregt haben, dass er offenbar der Unternehmerschaft Niederrhein damit drohte, den Mitgliedsbeitrag zu halbieren. Die Stimmung ist mächtig angespannt. Derweil läuft intern eine Werbekampagne für den Eintritt in die Gewerkschaft, Siempelkamp ist rot plakatiert, wer so will. Siewert stolz darauf: „Wir verzeichnen einen massiven Zuwachs in diesen Tagen. Die Kollegen haben verstanden, dass wir nur mit einem hohen Organisationsgrad stark sind.“
Angst macht mobil. Vielleicht aber auch das Beispiel der gescheiterten Tarifabweichung, die vor Kurzem deutlich gemacht hat, dass eine organisierte Belegschaft sehr wohl die Möglichkeit hat, sich zu wehren. Mitzubestimmen. Siewert weiß, dass die Position mit jedem Neu-Mitglied besser wird. Zumindest in der Auseinandersetzung. „Sollte die Geschäftsführung sich für den Ausstieg aus dem Flächentarif entscheiden, dann haben wir genug Kraft, einen vernünftigen Haustarif auszuhandeln.“