Schule Hork-Riser brachte Krefeld ins All
Benrad-Süd · Weltraumprojekt des Gymnasiums Horkesgath zum Stadtjubiläum
Sie ist oval, dunkelgelb gefärbt und nur wenige Zentimeter groß, die Gravur zeigt den Namen der Schule und ein Jubiläumslogo. Zunächst kommt die Plakette, die Oberbürgermeister Frank Meyer am Mittwoch vom Gymnasium Horkesgath überreicht bekommen hat, unauffällig daher. Doch der symbolische Wert und die Geschichte dahinter sind außergewöhnlich. Schließlich war das Plastikrelikt schon in 35 Kilometern Höhe unterwegs. Anlässlich des 650-jährigen Stadtjubiläums hatte sich das Gymnasium eine besondere Aktion einfallen lassen und am 30. August 2023 eine Ballonsonde mit einer 360-Grad-Kamera in die Stratosphäre aufsteigen lassen. Diese Sonde brachte nicht nur die Krefelder Jubiläumsplakette, sondern auch faszinierende Bilder mit zurück auf die Erde.
Heute lassen sich die Aufnahmen über eine Virtual-Reality-Brille mit einem Rundumblick nachverfolgen. Diese Möglichkeit nutzte auch der Oberbürgermeister bei seinem Besuch im Gymnasium Horkesgath. Er zeigte sich nach dem live nachempfundenen Flug ins All begeistert: „Dieses Projekt zeigt auf eine beeindruckende Art und Weise, wie man den Unterricht spannend und praxisbegleitend gestalten kann. Das Gymnasium Horkesgath hat der Stadt Krefeld damit ein einzigartiges Geschenk bereitet und darf stolz auf so viel Neugier und Entdeckergeist sein.“
Dabei begann der 30. August ziemlich hektisch. Eigentlich hatten Peter Gronsfeld und sein Schülerteam um Nick Barthel, Jonah Kubill, Dimitri Krinis und Arian Hashani diesen Tag minutiös vorbereitet und geplant, damit nichts schiefgeht. An diesem Mittwoch sollte ihr Hork-Riser in die Stratosphäre aufsteigen. Das Schulfest des Gymnasiums Horkesgath, das Mitglied im nationalen MINT-EC (Verein mathematisch-naturwissenschaftlicher Excellence-Center an Schulen) ist, habe laut Gronsfeld den optimalen Rahmen für das Weltraumprojekt geboten. Und dann gab es trotzdem ein Problem. Windböen hatten die Sonde kurz vor dem Start beschädigt. Gronsfeld und seine Schüler mussten kurzweg improvisieren. Sie flickten die kaputte Stelle mit Spezialklebeband. Dann lief der Countdown. Beim Start schauten sie gebannt der aufsteigenden Sonde hinterher. Als sie die tief liegende Wolkendecke durchbrach und nicht mehr zu sehen war, atmeten sie durch. Die Mission schien zu glücken.
Vier Monate zuvor hatten Peter Gronsfeld, Physik- und Erdkunde-Lehrer am Gymnasium Horkesgath, und sein Projektkurs Naturwissenschaften mit den Vorbereitungen für das Weltraumprojekt begonnen. „Wir wollten der Stadt anlässlich des Jubiläums ein besonderes Geschenk mit Außenwirkung machen“, erklärt Gronsfeld. Schon 2022 hatten er und seine Schüler einen Ballon in die Stratosphäre geschickt. Sie ist die zweite Schicht der Erdatmosphäre und liegt zwischen 15 und 50 Kilometern Höhe. Seinerzeit platzte der Ballon zwar außerplanmäßig in 19 Kilometern Höhe, dennoch konnte das Horkesgath-Team wichtige Erfahrungswerte sammeln. Für den Flug im Jubiläumsjahr hatten sich Lehrer und Schüler dann zwei besondere Extras einfallen lassen: Eine Plakette mit dem Schul- und Stadtjubiläumslogo aus dem 3-D-Drucker und eine 360-Grad-Kamera würden mit ins All aufsteigen.
Der Hork-Riser war ein feingliedriges Konstrukt. Der Ballon aus sensiblem Naturkautschuk zog eine selbst gebaute Sonde in die Höhe. Nur in einer Styroporbox verpackt befanden sich mehrere Messinstrumente, zwei GPS-Peilsender und zwei Kameras. Über einen Stab war außen zudem die 360-Grad-Kamera installiert, um die Rundherum-Bilder für die VR-Ansicht aufzunehmen. Allein den Start hatten Gronsfeld und seine Schüler Dutzende Male geprobt. Überdies testeten sie die Instrumente in Gefriertruhen, lösten Probleme mit Kondenswasser, kalibrierten die Messgeräte und justierten die ideale Ballongasmenge. Damit der Flug überhaupt vom Luftfahrtbundesamt genehmigt wird, durfte das Gespann nicht über 4000 Gramm wiegen. Am Tag des Starts musste das Projektteam außerdem den Düsseldorfer Flughafen konsultieren.
Mit fünf Metern pro Sekunde stieg der Hork-Riser am 30. August 2023 hinauf in die Atmosphäre. War der mit Helium befüllte Ballon beim Start zwischen zwei und drei Metern groß, weitete er sich mit sinkendem Luftdruck auf bis zu 20 Meter aus. Bei exakt 35,5 Kilometern war selbst das flexible Kautschuk-Material überspannt, der Ballon platzte. Diesen Moment hielt die hochauflösende Kamera mit imposanten Aufnahmen fest. Über einen Krefelder Meteorologen landeten die Bilder des aufreißenden Ballons später beim Deutschen Wetterdienst. „Die haben gesagt, dass sie noch nie so scharfe Bilder in diesem Kontext gesehen haben“, erzählt Peter Gronsfeld stolz. Fortan trat die Krefelder Raumsonde ihre Rückreise Richtung Erde an. Wegen des fehlenden Luftwiderstands hatte sie zwischenzeitlich Fallgeschwindigkeiten von bis zu 250 Kilometern pro Stunde. Der selbstaktivierte Fallschirm bremste den Hork-Riser erst in niedrigeren Höhen.
Hier sendete er auch wieder Peilsignale an das Horkesgath-Team. Den Landungsort hatten Schüler und Lehrer zuvor mithilfe von Wetter- und Winddaten berechnet: Nördlich von Coesfeld sollte der Hork-Riser landen. Und tatsächlich setzte er nur wenige Kilometer vom taxierten Ziel entfernt auf. Aufgeregt eilten die Krefelder mit dem Auto Richtung Münsterland. Doch hier offenbarte sich ein Problem: Das Gespann hatte sich im Geäst eines 20 Meter hohen Baums verheddert. Zwei Stunden lang versuchten sich die Krefelder bei strömendem Regen mit der Bergung. Erst mit Teleskopstangen, dann mit Seilen, am Ende kamen sogar örtliche Forst- und Landwirte mit einem Traktor zu Hilfe. Trotz der strapaziösen Reise waren die technischen Geräte unversehrt zurückgekehrt. Alle relevanten Daten wie etwa Luftwiderstand, Temperatur oder Windgeschwindigkeiten konnte Peter Gronsfeld mit seinem Projektkurs später in Diagramme übertragen und analysieren.
Durchgefroren und überwältigt von den Erlebnissen des Tages überkam Gronsfeld noch am selben Abend die Neugier. Er schloss die Speicherkarte an seinen Computer an und sichtete aufgeregt das Videomaterial. Noch heute bekommt er schlagartig Gänsehaut, wenn er an diesen Moment zurückdenkt. „Diese Aufnahmen durch die VR-Brille zu sehen ist ein sensationelles Erlebnis“, sagt er. „Das Schönste dabei ist: Das alles haben wir als Gemeinschaft zusammen selbst konstruiert.“ In den Folgewochen wanderte die Virtual-Reality-Brille mit den fast realitätsnahen Bewegtbildern des „HorkRiser“ durch die Klassen des Gymnasiums Horkesgath. Red