Siempelkamp im Gegenwind: Anwohner fürchten Gestank und Lärm
Im WZ-Bus äußern sich Krefelder über die Ausbaupläne der Firma Siempelkamp.
Krefeld. "Endlich bekommt Siempelkamp einmal Gegenwind", sagt Gundolf Stahlschmidt und lächelt zufrieden. Sein Nachbar an der Straße Am Kapuzinerkloster, Klaus Holter, hat nachgezählt: Mehr als 70 Personen waren zum WZ-Bus gekommen, um die Ausbaupläne der Firma Siempelkamp zu diskutieren. Deren Gießerei möchte wie berichtet in drei Ausbaustufen seine Kapazität nahezu verdoppeln.
Kurzfristig abgesagt wurde die geplante Anhörung der Bezirksregierung und der Firma Siempelkamp, weil es noch "Prüfungsbedarf" gebe.
"Schon jetzt liegt die Belastung an Staub, Gestank, Lärm und Bodenschwingungen über den zugelassenen Werten", meint Günther Drieskes. Hinzu kommt, dass die mehr als 18 Meter hohen neuen Hallen den Anwohnern die Sicht, das Licht und die Frischluft rauben.
Der neue Schornstein, hat Drieskes erfahren, wird jährlich 14016 Kilogramm Kohlendioxid (CO2) ausstoßen statt bisher 1497 Kilo. "Der Schornstein wird zwar höher, aber das Problem damit nur verlagert", weiß Armin Bigalke.
"Es stinkt wie die Pest. Das kann auch ein höherer Schornstein nicht lösen", sieht Nachbar Georg Weirauch die Situation ähnlich. Filteranlagen, gerade auch für den Gestank, kosten viel Geld, dessen Investition aber dringend notwendig sei, meint Weirauch.
Vier bis fünf Mal täglich erlebt Sabine Gielen, die auf der Siempelkampstraße wohnt, ein kleines Erdbeben, "das die Gläser klappern", sagt die Mutter einer Tochter. Siempelkamp sprengt mit dem Verfahren schwere Gussteile von ihren Gießformen, was wegen der guten Auftragslage stark zugenommen hat. Eine Einliegerwohnung im Haus kann die Familie Gielen seit Monaten nicht vermieten, weil Interessenten abwinken wegen des störenden Nachbarn.
Zusätzlichen Lärm auf der Siempelkampstraße befürchtet Paul Dornscheid. "Bis direkt an die Straße soll die Putzerei erweitert werden. Das bedeutetet fünf große wummende Ventilatoren vor unserer Haustüre." Dornscheid fordert zudem, wie sein Nachbar Rolf Hirschegger, eine Anbindung der Firma "von hinten", also über die B9.
"Die Politik und die Verwaltung haben die Firma lange genug geschützt", meint Michael Frings, der Anfang dieser Woche wiederholt einen Versuch abgebrochen hat, das Abendbrot auf dem Balkon einzunehmen. "Alles ist durch dem Staub kohlrabenschwarz, die Geruchsbelästigung ist enorm", sagt Frings.
Der Anwohner Michael Delp versteht die Position der Firma. "Mir ist bewusst, dass Siempelkamp einer der größten Arbeitsgeber in Krefeld ist, aber wir haben auch ein Recht auf saubere Lebensumstände. Man muss nicht gegen die Bebauung sein, aber dann muss man es für die Bewohner verträglich machen."
Seit fast 40 Jahren wohnt Gerda Lindemann an der Hülser Straße 551. "So schlimm wie im vergangenen halben Jahr waren Gestank und Feinstaub noch nie", sagt sie. Türen und Fenster müssten nun permanent geschlossen bleiben, selbst spät am Abend würde es stinken.
Die beiden neuen Hochöfen, die im vergangenen Jahr in Betrieb genommen würden, müssen völlig ohne Staub- und Geruchsfilteranlage in Betrieb gegangen sein, vermutet Frank Engelbrecht. "Im Staub, der überall umher fliegt, sind regelrechte Metallspliotter drin", berichtet er. Auf Gemüseanbau im Garten verzichtet er in diesem Jahr völlig, "es sagt einem ja keiner, wie gefährlich dieser Staub ist".
Mehr als 100 Einheiten hat die Wohnstätte in den vergangenen acht Jahren am Schluff saniert und dafür mehr als acht Millionen Euro ausgegeben, heiß es vor zwei Jahren nach der Fertigstellung. Eine Mieterin ist Giovanna Guardascione, die seit 20 Jahren Am Schluff 7 in einer Wohnung der Wohnstätte wohnt und rnsthaft überlegt, ihren Mietvertrag zu kündigen.
Auch ihre Schwester, die eine Etage drüber wohnt, überlegt diesen Schritt. "Als wir hier hingezogen sind, war es ein schönes Wohngebiet mit viel Grün. Heute wohnen wir in einem Industriegebiet", meint die Mutter. Ihre Tochter Ilaria sagt: "Ich möchte Wiesen sehen, keine grauen Wände." Vier Kündigungen liegen der Wohnstätte bereits vor.
Auf eine Beschwerdestelle bei Siempelkamp, die vielen nicht bekannt sei, weist Klaus Holter hin. "Markus Hennes ist in der Firma für Umweltschutz zuständig und hat die Rufnummer 894420. Ihn kann man anrufen, wenn die Belästigung zu groß wird." Was ihn in letzter Zeit aufgefallen ist: Schwere Gabelstabler, die bis zu 50 Tonnen heben können, dröhnen permanent durch das Werksgelände. "Und das schon um 7 Uhr morgens."
Von regelrechten Nebelwolken, die mehrmals in der Woche herüberschwappen, berichten Roswitha und Volker Theissen. "Dieser dichte Staub ist ölhaltig und verschmiert Gartenmöbel und Fenster", berichtet Roswitha Theissen. Die Traubenstöcke, die Ehemann Volker im Garten angepflanzt hat, rührt er in diesem Jahr nicht an. "Oder ich nenne den Wein aus den Trauben Siempelkamp-Auslese", scherzt Volker Theissen.
Warum nicht noch mehr Nachbarn den WZ-Bus besucht hätten, glaubt Herbert Moos zu wissen. "Viele haben die Flinte bereits ins Korn geworfen und haben resigniert. Gerade bei den Eigentümern, die nicht mal eben wegziehen können."
Ursula Engelbrecht wohnt seit 30 Jahren auf der Straße "Am Kapuzinerkloster" und brachte einen Beweis mit zum WZ-Bus: "Mit diesem ursprünglich gelben und jetzt grauen Tuch habe ich heute die Balkonmöbel gereinigt." Vor allem bei Westwind setze sich verstärkt ein schwarz-grober Staub ab, den sie in Silberpapier mitgebracht hatte.
"Ich habe gehört, dass zu den bestehenden Hochöfen noch einer dazu kommt", so Wilhelm von Brechan, "dann wird ja die Dreckschleuder auf die Anwohner noch größer. Manchmal kommt auch ein Geruch wie aus einem Chemielabor rüber."
Günther Drieskes wusste genau Bescheid: "Donnerstags und freitags ist der Dreck am stärksten. Das haben die Messungen von Oktober 2007 bis April 2008 ergeben." Er sei nicht gegen eine Erweiterung der Firma Siempelkamp, sondern nur gegen den Staub, der ihn belästige und die Gesundheit schädige.
"Durch den dritten Bauabschnitt und die 18 Meter hohe Halle wird uns die Sicht versperrt und die Durchlüftung schlechter", weiß Wolfgang Henssen.
Josef Thule wohnt seit 48 Jahren am Kapuzinerkloster und meinte kurz und bündig: "Ich bin gegen eine Erweiterung."
Konkrete Vorschläge legte Rolf Schneider auf den Tisch: "Der Lärmschutzwall sollte erhöht und mit Bäumen statt Sträuchern bepflanzt, zudem zusätzliche Filteranlagen installiert werden."
Birgit Hammacher ist erschüttert: "Mitunter krachen schwere Stahlgefäße oder Behälter so laut auf den Boden, dass die Gläser im Schrank wackeln und der Speicher vibriert. Anrufe von mir fielen auf taube Ohren."
Monika Sell ist "Am Schluff" zu Hause und steuert auf der "Gassi-Runde" mit ihrem Malteserhündchen Kimba den WZ-Bus an: "Der Lärm beginnt schon morgens vor sieben Uhr. Dann ist es mit dem Schlaf vorbei."
Marlies Mudra erzählt: "Manchmal ist es durch die Abgase richtig neblig über uns," sagt sie. Aufruhr gab es am WZ-Bus, als der ehemalige Siempelkamp-Mitarbeiter Hans-Peter Hendricks der die Anwohner fragte, warum man der Firma so viele Steine in den Weg lege.
Für Kompromisse ist Herbert Meyers, da er auch die Pläne der Firma nachvollziehen kann. "Siempelkamp entwickelt sich nun mal weiter und damit auch die Anwohner zufrieden sind, muss man sich zusammenschließen und Lösungen finden."
Die Anwohnerin Beatrix Jansen meint, dass mehr Rücksicht auf die Bewohner genommen werden müsse, schließlich "haben wir den Dreck in der Wohnung und nicht die Firma Siempelkamp," sagt sie.
Manfred Adolphi wird nachts sogar oftmals vom Lärm der Arbeiter auf dem Firmengelände wach. "Ich stehe nachts um halb drei auf und höre Lärm. Wenn hier angebaut wird, nimmt der Lärm bestimmt noch mehr zu."
Auch Udo Königs hat nachts schon die Polizei gerufen, da er aufgrund der enormen Lärmbelästigung nicht schlafen konnte.