Pappe verdeckte die Farbenpracht

Mehr als 100 Stunden wurden in die Restaurierung eines Textilbildes investiert, das ab 14. Mai ausgestellt wird.

Foto: Stadt Krefeld

Krefeld. Der Ankauf eines mit Chenillegarn gestickten Bildes vor knapp drei Jahren löste bei der Leitung des Deutschen Textilmuseums Krefeld Begeisterung aus. „Der Förderverein hat uns das Bild geschenkt und finanziert nun die Restaurierung. Wir haben gehofft, dass es etwas Besonderes ist und nun entpuppt sich immer mehr“, freut sich Museumsleiterin Annette Schieck. In der Ausstellung ab 14. Mai über historische und moderne Stickbilder soll dieses Werk ein zentrales Exponat sein. Bis dahin forscht Isa Fleischmann-Heck, stellvertretende Museumsleiterin, noch über Herkunft und Datierung, und Katja Wagner wird die Restaurierung in der Museumswerkstatt abschließen.

Das Bild, bislang ohne Titel, zeigt eine „Pastorale Szene“, eine idyllische Landschaft mit einem liegenden Hirten, Schafen, einer Ziege und einem Esel sowie einer Frau mit vier Kindern, die Getreide ernten. Das sentimentale Motiv auf Seidenstoff (63 mal 53 Zentimeter) ist teils gestickt (beispielsweise der Baum), teils in Aquarell-, sowie Gouache-Technik gemalt wie die Landschaft, Architektur und Gesichter. In dem gemalten Bereich lassen sich noch Vorzeichnungen erahnen. Eine derartige Nadelmalerei mit einer szenischen Darstellung fehlte bislang im Museumsbestand. Es ergänzt die Sammlung von Stickereien vom Mittelalter bis in die Gegenwart. Es ist eine Seltenheit, ohne Vergleich in deutschen Museen. Fachpublikationen sind rar. „Das ist noch ein Forschungsgebiet“, sagt Schieck.

Insofern ist das Finden von Quellen und Hinweise eine wissenschaftliche Herausforderung. Seit dem Ankauf hat sich Isa Fleischmann-Heck intensiv mit dem Bild auseinandergesetzt. Die vom Verkäufer angegebene Herkunft der Arbeit aus England konnte sie zwischenzeitlich nachweisen. „Es ist jedoch älter als gedacht.“ Statt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde es wohl in dem Zeitraum zwischen 1790 und 1800/1810 angefertigt, also zur Zeit der Französischen Revolution und der großen Schaffensphase von Schiller und Goethe in Weimar.

Schöpfer des Bildes ist wohl eine junge Dame aus einem adligen oder bürgerlichen Haus. Zu deren Ausbildung gehörte die Beschäftigung mit Stickerei, Malerei, Musik und Literatur. Das Bild könnte so gezielt für das häusliche Umfeld wie einen Salon hergestellt worden sein. Ebenbürtig zu Gemälden wurden solche Werke als Raumdekoration geschätzt. Isa Fleischmann-Heck geht auch Hinweisen zu den Bildmotiven nach.

In der Restaurierungswerkstatt des Deutschen Textilmuseums hat Katja Wagner bereits mehr als 100 Stunden für die aufwendige Aufarbeitung benötigt. „Ich habe noch nie an einem vergleichbaren Objekt gearbeitet“, sagt die Textilrestauratorin. Als einen der ersten Arbeitsschritte hatte sie eine Pappe von der Rückseite entfernt, unter der sich die Farbenpracht der Fäden verbarg. Die jahrhundertelange Lichteinwirkung auf der Vorderseite hat die Farben verblassen lassen und Risse in der Seide verursacht. „Das wurde verstärkt durch Säure in der Pappe“, sagt die Restauratorin.

Die Entfernung von weiteren Papierresten an überlappendem Leinengewebe erwies sich als heikel: Zum Lösen wird Feuchtigkeit benötigt, die darf jedoch nicht das Gewebe schädigen. „Das war sehr zeitaufwendig“, so Wagner. Leimreste mussten auf dem Stoff verbleiben, weil trotz mehrerer Tests und Proben an vergleichbaren Stoffen die Ablösung sich letztlich als zu problematisch erwies.

Zurzeit arbeitet Wagner an einem Untergrund aus säurefreiem Karton, Polyesterflies und Baumwolle, auf dem das Bild präsentiert werden soll.