Lukaskirche ohne Glocken
Das Geläut der Kirche wird am Dienstag abgeseilt, weil die Betonkonstruktion marode ist. Die Markuskirche in Fischeln plagt das gleiche Problem.
Krefeld-Gartenstadt. Als die evangelische Lukaskirche in Gartenstadt am 13. März 1960 feierlich eingeweiht wurde, läuteten keine Glocken — sie sind erst eine Woche später geliefert worden. Als die Kirche im vorigen März ihr 50-jähriges Jubiläum feierte, durften die Glocken in dem Turm an der Traarer Straße nicht läuten — der Stahlbeton war marode geworden, der Campanile drohte zusammenzubrechen.
Weil der Turm jetzt abgebrochen wird, kletterten am Sonntag drei Gemeindemitglieder — Jürgen Stettin, Herbert Detzner und Stefan Dosbach — mit Helmen, Schutzanzügen und Seilsicherung in den 24 Meter hohen Turm, um die drei Glocken zum letzten Klang per Hand anzuschlagen. Am Montag begannen Mitarbeiter einer niederländisch-deutschen Abbruchfirma damit, die Glocken mit Ketten aus dem Turm zu hieven.
Bis Dienstag wird die Aktion dauern. Die Geläute aus der renommierten Gießerei Rincker in Herborn werden zunächst in den Garten des Kindergartens verfrachtet. Dort werden sie gereinigt und kontrolliert. Dann beziehen sie ihren vorläufigen Standort im hinteren Bereich des Kirchenraums, der vom Architekten Ernst Fohrer bewusst schlicht gestaltet wurde. Pfarrer Christoph Tebbe: „Die Gläubigen können dort die Glocken aus der Nähe erleben und ihre Inschriften lesen.“
Die Gemeinde hängt emotional sehr an dem Geläut, hat doch der Kirchbauverein sie seinerzeit komplett bezahlt. Die Größte von über einem Meter Durchmesser ist auf g gestimmt und trägt die Inschrift „Geheiligt werde Dein Name“. Sie läutete den Abend ein und bei Todesfällen. Die auf b gestimmte Mittlere verkündet „Dein Reich komme“ und läutete während der Gottesdienste beim „Vater-Unser“-Gebet. Die Kleinste, auf c gestimmt, hat die Gravur „Dein Wille geschehe“ und ruft zum Gottesdienst. Nur an Festtagen läuteten die drei Glocken gemeinsam.
So soll es auch eines Tages wieder sein. Das Presbyterium der Gemeinde hat sich schwer getan mit dem Abbruch-Beschluss, der Mitte Oktober gefallen ist. Eine komplette Sanierung würde 200 000 Euro kosten — das ist zur Zeit in der evangelischen Kirchengemeinde Nord nicht drin. Tebbe: „Das Geld würde für wichtige andere Arbeitsbereiche fehlen.“ Es soll eine neue und preiswertere „bauliche Lösung“ gefunden werden, um die Glocken wieder läuten zu lassen.
Bis dahin will die katholische Pax-Christi-Gemeinde in ihrem rund 700 Meter entfernten Campanile für die evangelischen Nachbarn mitläuten. Die Zusage hat Pfarrer Tebbe am Sonntag erhalten.
Schließlich hat die Lukaskirche das auch schon umgekehrt getan, bis der katholische Turm 1988 gebaut war. Vor einem halben Jahrhundert, als der Stadtteil Gartenstadt auf dem früheren Flugfeld hochgezogen wurde, stellte das moderne Ensemble der Lukaskirche ein Symbol mit Wiedererkennungswert dar. Ein Großteil der Gartenstädter waren Flüchtlinge aus dem Osten. Sie suchten eine neue Heimat. Für das geneigte Dach der Kirche fand der Volksmund bald den Namen „Sprungschanze“.
Theologisch, so erklärt Pfarrer Tebbe im Abschiedsgottesdienst, habe ein Glockenturm keine Bedeutung, wohl aber für die Emotionen der Menschen. Das zeige die Diskussion um die Dio-Spitze oder die Reaktion auf den Klöppelbruch beim „Dicken Pitter“ im Kölner Dom. Ein Turm weise auf Gott hin, sagt Tebbe: „Wenn der Turm nicht mehr ist, müssen wir das übernehmen.“
Ähnliche Probleme wie die Lukaskirche hat auch die ebenfalls 50 Jahre alte und vom früh gestorbenen Architekten Esch gebaute Markuskirche in Fischeln. Dort ist der freistehende Turm ebenfalls baufällig — die Glocken ruhen. Die Gemeinde hat das Geläut durch ein elektronisches Läutewerk ersetzt.
Für eine Übergangszeit ist Pfarrer Thomas Stockkamp damit zufrieden. Er hat das zusätzliche Problem der Denkmalpflege zu bewältigen, die die komplette Sanierung erfordert. Dafür müsste die Kirchengemeinde Süd allerdings kräftig sparen.