Brexit Studierende fürchten Folgen des Brexits
Marie Diener ist 20 Jahre alt, Krefelderin und für ihr Studium nach England gegangen.
Krefeld. „Die Stimmung ist gereizt. Die ersten Tage waren wir alle geschockt, damit hätte wirklich niemand gerechnet“, berichtet die 20-Jährige Marie Diener. Die Krefelderin ist 2014 nach England gegangen, um an der Universität in York ein Kombinations-Studium aus Philosophie, Politik und Wirtschaft zu beginnen. 2014, da war England noch Mitglied der EU und machte 12,8 Prozent der europäischen Bevölkerung aus. „Für mich war das Vereinigte Königreich ein fester Bestandteil der EU.“, sagt Marie Diener.
Am 24. Juni 2016 sieht die Welt anders aus. Die Briten haben sich entschlossen, den Brexit zur Realität zu machen: 51,9 Prozent der Briten, die am EU-Referendum teilnahmen, stimmten für den Austritt aus der Europäischen Union. „Sowohl vor dem Referendum, als auch danach, war die Anspannung sehr groß. Selbst die Leute, die für den Austritt gestimmt haben, konnten es nicht glauben“, erzählt Marie. Es habe sogar in Bussen und auf offener Straße Auseinandersetzungen zwischen den Wählern gegeben.
Viele Leute hätten sich nicht direkt gegen die Europäische Union entschieden, sondern gehofft, mit ihrer Stimme die allgemeine Lebenssituation zu verbessern. „Wenn man sich die Stimmenverteilung anguckt, ist klar, dass es eine starke Diskrepanz zwischen armen und reichen, alten und jungen Wählern gibt“, erklärt Marie. Vor allem die jungen Briten seien von den Vorteilen einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union überzeugt. Umso drastischer ist der Einschnitt: Die Alten, die einen immer größeren Anteil an der britischen Bevölkerung ausmachen, haben über die Zukunft der Jungen entschieden. Laut Daten des Umfrageinstituts Lord Ashcroft haben die unter 35-Jährigen eindeutig für einen Verbleib ihres Landes in der EU gestimmt.
Der Brexit hat nicht nur Folgen für das Vereinigte Königreich, sondern beeinflusst das weltweite Geschehen. „Natürlich habe ich mich sofort gefragt: Wie geht es jetzt für mich weiter? Brauche ich bald ein Visum, wird sich die Meinung in der Bevölkerung auch gegenüber uns ausländischen Studenten verändern?“, argwöhnt Marie. Sie habe direkt einen Brief von der Universität bekommen, in dem erklärt wurde, dass sich erstmal nichts für sie ändern würde. Jederzeit könne sie aber mit der Universität Rücksprache halten. „Das Angebot für internationale Studenten ist groß. Die nichteuropäischen Leute bekommen Hilfe bei den Visumsanträgen und der Erfüllung bestimmter Auflagen“, sagt Marie.
Eine der größten Sorgen ist das Thema Studiengebühren. Noch zahlen die europäischen Studenten sogenannte „home fees“, also ungefähr so viel, wie die britischen Studenten. Mit dem Austritt aus der EU könnte ein Studium in England jetzt deutlich teurer werden. „Meinen Studiengang gab es in dieser Art nicht in Deutschland. Deswegen bin ich damals nach England gegangen und bereue das auch bis jetzt nicht“, erklärt Marie. Wenn sie sich aber vorstelle, dass die Studiengebühren, die ohnehin schon hoch sind, noch höher würden, werde für viele zukünftig einiges gegen ein Studium in England sprechen.
Beim Volksentscheid hätte Marie sich für den Verbleib entschieden. „Gerade in dieser schwierigen Zeit ist es wichtig, Stärke und Zusammenhalt zu beweisen. Vor allem für die jungen Leute schafft die EU-Mitgliedschaft viele Perspektiven“, erklärt Marie. Erasmus, ein Förderprogramm der Europäischen Union, das Studenten Auslandsaufenthalten an anderen Universitäten ermöglicht, ist bei den jungen Europäern besonders beliebt. „Durch eine Zeit in einem anderen Land werden einem einfach viele Türen geöffnet und andere Welten gezeigt. Umso schlimmer wäre es, wenn das jetzt komplizierter würde“, ist sich Marie sicher. Auch deutschen Studenten wünscht sie die gleichen Möglichkeiten, die sie zu Beginn ihres Studiums hatte. Ob das eintrifft, ist jedoch noch fraglich.
Was die Zukunft angeht, hat Marie noch keinen festen Entschluss gefasst: „Ich werde bald meinen Bachelorabschluss machen. Vielleicht hänge ich noch einen Master dran. Dann ebenfalls in England“, sagt sie. Darüber, ob sie dauerhaft dort bleiben wolle, sei sie sich noch nicht sicher : „Ich will nicht in einem Land leben, in dem ich mich nicht willkommen fühle“, betont Marie. Zwar wäre sie noch nicht angefeindet worden, würde aber die allgemeine Stimmung als besorgniserregend empfinden. „Ich will sowas nicht unterstützen. Es muss klar sein, dass Menschen, egal welcher Herkunft, auch in England gleich sind“, betont die Krefelderin.
Doch auch speziell für die jungen Menschen sollte eins gegeben sein: „Unsere Zukunft soll nicht durch Grenzen eingeschränkt werden“, wünscht sich Marie.