Tanzschulen in Krefeld spüren nach vielen Monaten der Distanz während Corona die Lust der Krefelder, sich wieder näher zu kommen Tanzen ist gesund und Kitt für Paare
Wobei kann man gleichzeitig etwas gegen Rückenschmerzen, für die Bildung neuer Nervenzellen, für eine verbesserte Kondition und eine intensivere Partnerschaft tun? „Beim Tanzen“, sagt Udo Kostorz, seit 43 Jahren begeisterter Tanzlehrer und seit 40 Jahren mit seiner Tanzschule an der Marktstraße und – seit einigen Jahren – auch im früheren Haus Blumental selbstständig.
„Die lange Corona-Zeit war geprägt durch Abstandhalten, nicht anfassen und größtmöglicher Distanz zu fremden Menschen; umso größer ist die Sehnsucht wieder nach Berührung und Nähe“, sagt auch Jennifer Görtzen, die gemeinsam mit Christian Wagner im Jahr 2019 die Tanzschule Cotoda Gmb übernommen hat. Beide Tanzschulen merken das wachsende Interesse, das Tanzen zu erlernen – und Spaß zu haben.
In Hip-Hop-Zeiten war Anfassen verpönt – das ändert sich wieder
Galt es lange Zeit als spießig, in Zeiten von Hip-Hop Tanzstunden zu nehmen, beobachtet Udo Kostorz schon seit längerem ein Umdenken. Sehr viele junge Paare entdeckten die Standard-Tänze wie Langsamer Walzer, Tango, Slowfox und Quickstep ebenso wie die Lateintänze Samba, Cha Cha Cha, Rumba, Paso Doble und Jive neu für sich. Nicht nur für ihre eigene Hochzeit. „Es wird nach der langen Corona-Phase wieder mehr geheiratet“, erzählt Kostorz, und vor allem, gebührend groß mit Familie und Freunden gefeiert. Während Dirty Dancing und Saturday Night Fever eher der Impuls für die heutige Silver-Age-Generation ist, sind Filme wie „Fame“, „Darf ich bitten?“ mit Jennifer Lopez oder der neue Film Fly von Katja von Garnier aus dem Jahr 2021 eher der Anreiz für die jüngere Generation.
„Es geht nicht mehr nur um die richtigen Tanzschritte, es geht inzwischen um die Begegnung und die soziale Nähe mit dem anderen“, sagt Kostorz. Der 64-Jährige erinnert sich noch gut an die Zeit vor dem World Wide Web vor 30 Jahren. Begegnungen fanden vor Ort und in Echtzeit statt. „Durch die Digitalisierung verbringen die Menschen inzwischen viel Zeit ihres Lebens vor dem Bildschirm, ob beruflich oder privat.“ Dabei würden vor allem die Sinne Sehen und Hören genutzt und der Verstand. Die Welt sei oft zweidimensional. Die anderen Sinne wie Tasten, Fühlen, Körperbalance, Riechen und Schmecken kämen zunehmend zu kurz.
Welche Folgen das körperlich und psychisch hat, kann Kostorz rasch erklären. „Wer sich selber nicht mehr ganzheitlich wahrnehmen kann, und viel im Kopf ist, kann nicht oder nur schlecht entspannen. Wer hingegen seinem eigenen Körper fühlt, beim Einschlafen seine Füße spürt ebenso wie seinen Kopf auf dem Kopfkissen, der könne auch leichter einschlafen.“ Tanzen könne diese Sinne wieder schärfen und somit auch therapeutisch gut sein für die eigene Körperwahrnehmung.
Tanzen beschere Freude und sei gleichzeitig gut für Körper und Geist. Der Körper schüttet nicht nur dabei die Glückshormone Dopamin und Endorphin aus, sondern eine Vielzahl an Reizen bewirke gleichzeitig, dass das Gehirn auf verschiedenen Ebenen stimuliert werde. Eine Studie mit Parkinson-Patienten habe gezeigt, dass das Zittern mithilfe von Tanztherapie gelindert werden könne. Auch lasse sich das Risiko, an Demenz zu erkranken, um etwa 20 Prozent senken. Die regelmäßige Bewegung im Rhythmus der Musik könne das Fortschreiten einer Demenz sogar aufhalten.
Auch der soziale Aspekt ist von größerer Bedeutung, als viele zunächst vielleicht vermuten. „Wo sonst kann man sich als Paar so leicht wieder finden, ob als kleine Pause vom Familienleben zum Feierabend oder nach der Kinderphase, wenn die groß sind und aus dem Haus“, sagt Jennifer Görtzen. Beim Sport seien die Partner oftmals alleine oder mit Freunden aktiv. Tanzen jedoch könne man gemeinsam genießen. Und es könne auch der Kitt für eine Partnerschaft sein. Oder für Familien. „In einem unserer Kurse tanzt ein Elternpaar mit ihren beiden erwachsenen Töchtern und deren Partner zusammen und sehen sich so regelmäßig in ausgelassener Stimmung“, erzählt Jennifer Görtzen.
Meist seien es die Männer, erzählt Udo Kostorz, die „Tanzmuffel“ seien und von sich glaubten, zwei linke Füße zu haben. Für die bietet Kostorz 45-minütige „Schnupperstunden“ an. „Jeder kann tanzen, schon nach 45 Minuten“, ist er überzeugt. Durch bestimmte Übungen kämen die Tanzpartner ins Fühlen rein, das erzeuge Harmonie – und Einklang. Wenn dann die ersten Grundschritte harmonisch miteinander möglich sind, machten die meisten vermeintlichen Tanzmuffel überrascht und erfreut weiter. Das gelinge ihm zu 99,5 Prozent. „Das Problem ist nur, die Männer müssen erst einmal hier hereinkommen; dann gehen sie meist nicht mehr raus.“
Der einst leidenschaftliche Tänzer kommt selber nur noch selten dazu. Mit Ehefrau Yvonne und Team bringe er etwa 1300 Kunden in der Woche das Tanzen bei. Oder poliere ihr Können auf. „Wir haben einige Teilnehmer mit über 80, die sich immer noch am Gesellschaftstanz erfreuen und sich dadurch jung und fit halten“, so Kostorz.
Und Jennifer Görtzen ergänzt: „Das Schöne am Tanzen ist, dass es in jedem Alter möglich ist.“ Der Spaß sei dabei entscheidend.