Krefeld Und plötzlich war der Boden im Badezimmer weg
Aufregung bei den Mietern an der Ritterstraße: Nach einem Zwischenfall mussten sie die Wohnungen verlassen. Bewohnerin wirft dem Vermieter vor, ihre Familie auf der Straße stehen gelassen zu haben.
Krefeld. Der Schreck sitzt noch tief, wirklich realisiert hat Zeynep Semmo noch nicht, was ihrer Familie in der Nacht zu Dienstag passiert ist. Oder vielmehr, was hätte passieren können: Gegen 21 Uhr stürzte der Boden in ihrem Badezimmer ein. Die 27-Jährige wohnt mit ihrem fünf Jahre alten Sohn in der ersten Etage des Hauses an der Ritterstraße und ist hochschwanger. In acht Wochen sollen ihre Vierlinge zur Welt kommen. Dem Vermieter wirft sie nach dem Vorfall vor, sie buchstäblich auf der Straße stehengelassen zu haben.
„Wir sind jetzt quasi obdachlos. Das kann ich einfach nicht fassen“, sagt Zeynep Semmo. In der zweiten und etwas größeren Wohnung in der ersten Etage wohnte Semmos Mutter, die 19-jährige Abiturientin Sümeye ist eines von drei Kindern. „Ich hatte schon einen Pyjama an und habe mir zum Glück noch etwas zum Anziehen gegriffen, als man uns sagte, dass wir jetzt sofort raus müssen.“
Die Wohnungen im Erdgeschoss sind seit längerer Zeit unbewohnt. Als die Feuerwehr eintrifft und sich Zutritt zu den unteren Räumlichkeiten und dem Keller verschafft — zu dem die Mieter nie einen Schlüssel bekommen haben — offenbart sich der katastrophale Zustand des Hauses mit der Nummer: Alles ist verschimmelt.
„Der Statiker und das Bauordnungsamt haben dann vor Ort entschieden, dass die Standsicherheit und die Bewohnbarkeit in den Wohnungen nicht mehr gegeben sind“, heißt es von der Einsatzleitung der Feuerwehr. „Wir hatten zwei Minuten Zeit, das Nötigste zu holen“, erinnert sich Zeynep Semmo. Nicht mal mehr ihre Schuhe habe sie sich anziehen können, das habe den Rettungskräften zu lange gedauert. „Zum Hinsetzen war keine Zeit, da habe ich mir halt die Schlappen gegriffen“, sagt sie und zeigt auf ihre pinkfarbenen Gummischuhe. Ihre Mutter sei noch geschockt.
Vor dem Haus habe die Familie den Vermieter angetroffen, der habe sich aber nicht dazu bereiterklärt habe, kurzfristig dafür zu sorgen, dass die Mieter ein Dach über dem Kopf haben. „Rechtlich ist der Vermieter aber dazu verpflichtet“ sich etwa um ein Hotelzimmer zu kümmern, sagt Peter Heß, Geschäftsführer des Mieterschutzbundes Niederrhein. „In dem Moment, wo der Wohnraum unbewohnbar wird, kommt der Vermieter ja seinem Teil des Vertrages nicht mehr nach.“
Zeynep Semmo schildert, dass der Vermieter zunächst die Schuld bei falschem Lüftungsverhalten der Mieter gesucht habe. „Selbst wenn das so wäre, müsste er zunächst helfen. Auch wenn ich nicht glaube, dass falsches Lüftungsverhalten in der ersten Etage das Erdgeschoss und den Keller schimmeln lassen“, so Heß. Laut Semmo sei der Vermieter schließlich unverrichteter Dinge gegangen.
Die erste Nacht hat die Familie Semmo dann bei Zeyneps Bruder und seiner Familie in der Nachbarschaft verbracht. „Wir sechs und die fünfköpfige Familie meines Bruders auf 70 Quadratmetern — ist ja wohl klar, dass da niemand ein Auge zugetan hat“, sagt Zeynep Semmo wütend. Mittlerweile hat sie sich über das Jugendamt an die Stadt gewandt und Hilfe zugesichert bekommen.
„Aber als wir da auf der Straße standen, hieß es, alle Notfall-Wohnungen seien belegt und wir könnten höchstens zu der Schlafstelle für Obdachlose an der Philadelphiastraße gehen. Das wollten wir auf keinen Fall.“ Margret Bethen, eine Freundin von Zeyneps Mutter, hat dann stattdessen Matratzen zur Verfügung gestellt.
Der Vermieter erklärte gegenüber der WZ, er habe zu keinem Zeitpunkt seine Hilfe verweigert, nur vor einem etwaigen Hotelbesuch die rechtlichen Gegebenheiten mit den Versicherungen klären wollen, da man nicht ausschließen könne, dass ein Verschulden seitens der Mieter zu dem Loch im Boden habe führen können. In jedem Fall ist der Vermieter aber verpflichtet, die Bewohnbarkeit wieder herzustellen.
Seynep Semmo und ihre Mutter wollen aber am liebsten nur weg. „Ich suche seit sieben Monaten eine neue Wohnung, meine Mutter noch viel länger. Wir haben uns schon lange über den unangenehmen Geruch im Haus gewundert. Jetzt wissen wir, wie es unten aussieht. Und gesund ist das sicher nicht“, befürchtet die bald fünffache Mutter. Auch Müll im Innenhof sei lange Zeit nicht entsorgt worden. „Aber es ist nicht leicht für uns, eine Wohnung zu finden. Zu viele Vorurteile.“