VR-Brille auf — und schon im Mittelalter
Ende des Jahres sollen Besucher des Museums Burg Linn Geschichte hautnah erleben können. Sie reisen in das Jahr 1377 - und müssen auf einer virtuellen Tour die Festung vor einem Raubritter schützen.
Linn. Man setzt sie auf — und keine Sekunde später ist man zwar noch am selben Ort, aber um Jahrhunderte zurückversetzt. Eine 3-D-Brille macht am Museum Burg Linn eine virtuelle Zeitreise in das Mittelalter möglich. Ende des Jahres sollen Besucher in die Rolle eines Verteidigers der Burg Linn schlüpfen können. Dort wird in der Kemenate neben dem oberen Rittersaal das Virtual-Reality-Programm installiert, das jeden Spieler ins Jahr 1377 befördert — das Jahr, in dem der Raubritter Heinrich von Strünkede wegen seiner Raubzüge mit der Belagerung durch das Kurfürstentum Köln in seine Schranken verwiesen werden sollte.
Der Träger der 3-D-Brille hat die Aufgabe, die Burg auf die Belagerung vorzubereiten. Dabei beginnt er in der virtuellen Nachbildung der Kemenate und bewegt sich mithilfe von zwei Controllern (Handsteuerung) durch die maßstabgetreue Rekonstruktion der mittelalterlichen Burg aus dem 14. Jahrhundert. Dabei müssen verschiedene Aufgaben gelöst werden, um eine gute Verteidigung vor den Belagerern vorzubereiten. Dazu gehören nicht nur das Schließen des Fallgitters und der Zugbrücke, sondern unter anderem auch die Nahrungsmittelbeschaffung sowie die Vorbereitung der Waffen.
Vor etwa einem halben Jahr haben die Arbeiten für das Spiel begonnen. Entwickelt wird es vom Krefelder Start-up-Unternehmen Weltenweber — eine Agentur für 3-D-Visualisierung und Virtuelle Realität. Das junge Entwickler-Team, bestehend aus Lukas Kuhlendahl, Beate Sucrow, Dominica Wester und Janos Wokrina, hat einst im Wohnzimmer mit gemeinsamen Projekten angefangen. Im Mai 2017 gründeten sie ihre eigene Agentur. Mittlerweile befinden sich ihre Büros im K2-Tower an der Kleinewefersstraße.
Der Kontakt zu Jennifer Morscheiser, Leiterin des Museums Burg Linn, wurde über einen gemeinsamen Bekannten hergestellt. „Wir sind ohne konkrete Pläne aufeinander zugegangen. Durch das gemeinsame Brainstorming sind dann die ersten Ideen entstanden“, erinnert sich Morscheiser. Neben der Belagerungsszenerie ist vorab schon ein weiteres Projekt aus der Kooperation hervorgegangen. Die Weltenweber und eine Gruppe des Museums entwickeln für die Burg eine App, die virtuelle Objekte in das Kamerabild des Smartphones (Augmented Reality) projiziert. Die virtuell nachgestellte Burg Linn befindet sich momentan noch im Entwicklungsstadium. „Sie weist noch einen Bauhaus-Charme auf“, sagt Kuhlendahl und lächelt.
Doch schon jetzt verliert sich der Spieler bei Probeläufen in der künstlichen Welt und vergisst, dass er eigentlich mit zwei Controllern in der Hand und einer überdimensionalen, schwarzen Brille in einem leeren Raum steht. Inzwischen befinden sich etwa 50 bis 100 Einzelobjekte im Spiel, die bewegt und bestaunt werden können. Für die virtuelle Herstellung eines einfachen Gegenstands braucht ein sogenannter Kreator zwischen ein und zwei Stunden. „Je detailreicher ein Objekt ist, umso länger braucht man für die Schaffung einer dreidimensionalen Nachbildung“, erklärt Sucrow.
Das Team aus Weltenwebern, Morscheiser und Museumsmitarbeitern findet sich für die weitere Entwicklung regelmäßig zusammen, wobei immer neue Ideen entstehen. Das Inventar der virtuellen Welt wird mit den Archäologen des Museums Burg Linn abgestimmt, damit sich nur Objekte wiederfinden, die im Mittelalter tatsächlich existierten.
Neben der historisch-archäologischen Beratung stellt das Museum Burg Linn für die authentische Rekonstruktion auch Grundrisse der Burg sowie Referenzobjekte zur Verfügung. Größtenteils halten sich die Gestalter bei der Umsetzung an die Vorgaben der Zeit. „Hin und wieder müssen wir jedoch auch Kompromisse schließen“, gibt Morscheiser zu. So wurde aus spieltaktischen Gründen zum Beispiel eine Treppe an der Burg ergänzt, die 1377 noch nicht existierte. „Das interaktive Spiel soll den Museumsbesuch nicht ersetzen, sondern vielmehr sinnvoll erweitern und ergänzen“, betont Kuhlendahl. Das Projekt biete die Möglichkeit, jungen Leuten auf spielerische Art und Weise Zeitgeschichte näher zu bringen.
„Und nicht nur Jugendliche werden angetan sein. Ich glaube, das Angebot wird eine breite Zielgruppe ansprechen“, sagt Morscheiser. Einen Aufschlag auf den Eintrittspreis wird es für die Nutzung des Spiels übrigens nicht geben. Die Spielzeit wird auf ungefähr fünf bis acht Minuten begrenzt sein. Auch an Museumsbesucher, die lieber beim Spielen zusehen, ist gedacht.
Dafür wird an der Spielstätte ein großer Bildschirm angebracht, der die Sicht des Zeitreisenden zeigt. Mit Zurufen von Hinweisen haben alle die Möglichkeit, aktiv zu werden, sich einzubringen und mit dem Spielenden in Interaktion zu treten. An der gesamten technischen Ausstattung ist der „Gaming Aid“-Verein aus Düsseldorf als Sponsor beteiligt. Einen besonderen Dank richtet Morscheiser an die Weltenweber, die sich mit viel Arbeit, Zeitaufwand und Herzblut engagieren. Da das Programm noch ausbaufähig ist, sucht das Museum weitere Sponsoren. Red
Wer das Projekt unterstützen möchte, meldet sich unter
museumburglinn.de