Kommunalwahl in Krefeld Wahlkampf macht Frank Meyer oft vom Wohnzimmer aus

Sonntagmorgen auf dem Südwall. Nur wenige Passanten sind unterwegs. Eine Frau führt ihren Hund auf dem Mittelstreifen aus. Ein junges Pärchen verschwindet im Kiosk an der Ecke. Ein abgerissen wirkender Mann mit Plastiktüten in der Hand schlurft über den Gehweg am Parteibüro der SPD vorbei und schaut durchs Fenster.

OB Frank Meyer (2.v.l.) hat im „Wohnzimmerstudio“ Dino Volpe (2.v.r.) von den Krefeld Ravens zu Gast. Drei Kameras sind auf sie gerichtet.

Foto: Bischof/Andreas Bischof

Doch vorne in den Räumen zur Straße ist niemand zu sehen – das politische Leben spielt sich derzeit im Hinterhaus ab. Dort hat Oberbürgermeister Frank Meyer während des Kommunalwahlkampfs sein Wohnzimmer eingerichtet. Oder besser gesagt: sein Wohnzimmerstudio.

In Corona-Zeiten legen Meyer und sein Team im Wahlkampf einen großen Schwerpunkt auf die Sozialen Netzwerke. „Wir wollen ohnehin schon mehr online machen“ berichtet der OB. Zwar gibt es für ihn auch den klassischen Auftritt auf der Straße wie tags zuvor bei einem Marktrundgang in Hüls mit Bezirksvorsteher Hans Butzen. Doch im Internet sieht Meyer jetzt die Chance, viele Menschen zu erreichen, ohne auf einen Abstand von 1,50 Metern achten zu müssen. Und dafür hat er das Wohnzimmerstudio unter der Adresse „meyermoeglichmacher“ eingerichtet. Hier will er „spannende Gäste“ empfangen und gleichzeitig mit den Zuschauern via Facebook und Co. in Dialog treten.

Vor der Aufzeichnung
einigt man sich aufs Du

Zwei Menschen lernen sich live vor der Kamera kennen – Premiere für dieses Konzept war im Juni mit Bernard Bosil vom Jazzkeller. Heute Morgen ist Dino Volpe von den Footballern der Ravens zu Gast. Den kennt Sport-Fan Meyer (er ist Mitglied beim KFC Uerdingen und beim FC Liverpool) zwar schon, aber beim kurzen Smalltalk vor der Studiotür einigt man sich darauf, ab sofort per Du zu sein. Und so wird’s wenig später auch gemacht, als die drei Kameras laufen. Zuvor hat Meyer noch die Freizeit-Kluft gegen einen dunkelblauen Anzug getauscht, Puder ins Gesicht und letzte Hinweise von Regisseur Niklolas Jürgens bekommen: Um das Thema Gemeinschaft sollen sich heute die Gespräche drehen. Das passt auch zur Wahlkampfaussage „Krefeld soll das Werk von vielen sein.“

Während der Regisseur noch an der Einstellung der Scheinwerfer herumschraubt, haben es sich Volpe und der Oberbürgermeister schon in zwei braunen Sesseln bequem gemacht und plaudern über bunte Socken. Die tragen beide gerne – Meyer heute mit Motiven seiner geliebten Beatles.

Doch dann wird’s ernst, die Regie gibt das Startsignal. Meyer wirkt hochkonzentriert, spult sein Eingangs-Statement souverän herunter, ohne sich auch nur einmal zu verhaspeln. Der Medienprofi ist ganz in seinem Element. Hat er sich auf das Gespräch besonders intensiv vorbereitet? „Eigentlich nicht. Es gibt nur ein paar Leitplanken“, lässt er später wissen.

Seit 2015 ist Frank Meyer Oberbürgermeister der Stadt Krefeld. Hier wurde er am 14. Juli 1974 geboren. Er gehört seit 1992 der SPD an. „Ich wollte mitbestimmen und selbst aktiv werden. Die zeitlosen Grundwerte der SPD – Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität – haben mich sehr angesprochen.“ So hat der Diplom-Verwaltungswirt und studierte Politikmanager die Motive zu seinem Parteieintritt einmal beschrieben.

1999 wird Meyer Ratsmitglied. Ab diesem Zeitpunkt führt der Karriereweg des jungen Mannes aus Uerdingen (im Gymnasium am Stadtpark hat er Abitur gemacht) stetig nach oben. Er wird Büroleiter des Bundestagsabgeordneten Siegmund Ehrmann, 2009 Bürgermeister und 2014 Erster Bürgermeister der Stadt. Zwischen 2012 und Herbst 2015 ist er Krefelder SPD-Vorsitzender – im Oktober des gleichen Jahres wird er Oberbürgermeister. Und er lässt keine Minute zweifeln, dass er dieses Amt behalten will.

Im Wohnzimmerstudio hat das Gespräch mittlerweile Fahrt aufgenommen. Offenbar zu viel Fahrt, denn der Regisseur muss unterbrechen: Gerade hat Frank Meyer den Hang der Krefelder zum Dauernörgeln kritisiert, ohne die schönen Dinge der Stadt zu sehen, da erinnert Nikolas Jürgens daran, dass der OB das schon beim letzten Wohnzimmergespräch gesagt hat. Doch Meyer lässt sich nicht verunsichern, schaut nur kurz an die Decke und gibt dann das Signal, dass es weitergehen kann: „Ich habe da eine Idee...“

Der kometenhafte Aufstieg der Ravens, die große Unterstützung durch die Fans, das Gesamtpaket aus Sport und Unterhaltung und vor allem die starke Gemeinschaft im Team – um diese Themen kreist das Gespräch. Dino Volpe spricht vom Aufstieg bis in die 1. Liga als Ziel und lobt dann ausdrücklich die „tolle Unterstützung durch die Stadt und den OB“ für den Football in Krefeld: Am Sprödentalplatz wird ein US-Sport- und Leichtathletikzentrum entstehen.

Kurze Trink-Pause. „Anstrengend, nicht?“, fragt Meyer seinen Gast. Beim Blick durchs „Wohnzimmer“ fallen locker aufgereihte Schallplatten (Jazzer John Coltrane steht vorne) und einige Bücher auf. „Die habe ich heute Morgen von zuhause mitgebracht“, erzählt Frank Meyer. Wann hat der Mann überhaupt Zeit für Musik und Lektüre? Kurze Auszeiten nehme er sich schon mal mittags in seinem Büro im Rathaus, lässt der OB wissen. Dort hat er sogar einen Plattenspieler. Und „Metropol“ von Eugen Ruge liegt auf seinem wachsenden Bücherstapel ganz oben.

Dann geht der Wohnzimmertalk schon weiter. Geschickt lenkt Meyer das Gespräch auf die integrative Funktion des Sports und die durch die Vereine erreichte Identifikation mit der Stadt. „Dafür braucht es vernünftige Sportanlagen – da haben wir in Krefeld noch eine Menge zu tun.“ Die Botschaft ist gesetzt.

Nach eineinhalb Stunden ist die Aufzeichnung vorbei. Allerdings nur für Dino Volpe. Meyer bleibt, denn am Nachmittag empfängt er mit Spitzenkoch Priyantha Pelster schon den nächsten Gast im Studio.