Wie das Textilmuseum ein Stück Berliner Geschichte belebt hat

Eine Seidentapete aus der Linner Sammlung half dabei, die Winterkammern im Schloss Charlottenburg zu rekonstruieren.

Krefeld. Ein Hocker aus dem späten 18. Jahrhundert und einige alte Fotos — das war alles, was vor sieben Jahren übrig war von einem prächtigen Schreibkabinett im Schloss Charlottenburg in Berlin.

Das Zimmer sollte als Teil der so genannten Winterkammern in den historischen Zustand versetzt werden, jenen Wohnräumen, die für Friedrich Wilhelm II. im Jahr 1797 hergerichtet worden waren.

Der bemalte Seidenstoff von der Sitzfläche des Hockers war noch im Original erhalten, doch er reichte nicht aus, um daraus auf die rund drei Meter langen Stoffbahnen der Seidentapeten zu schließen. Mit solchen „Pekings“ schmückten Könige und Kaiser im ausgehenden 18. Jahrhundert ihre Salons und Kabinette.

Herrscher in ganz Europa frönten dieser internationalen Mode. Die textilen Kostbarkeiten wurden in China — nicht unbedingt nur in Peking — für den europäischen Markt hergestellt und kamen danach mit Segelschiffen in den Westen.

So beliebt diese luxuriösen Wandbespannungen einst auch waren, die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg hatte das Problem, Vorlagen für die Rekonstruktion der Charlottenburger Seidentapete zu bekommen.

Ein Brief der Stiftung, der im Jahr 2004 das Deutsche Textilmuseum in Linn erreichte, brachte das Projekt weiter. Literaturstudien hatten nämlich ergeben, dass im Museum große Teile einer ähnlichen Seidenstoffbahn im Depot lagen. Auf eine zweite vergleichbare Vorlage war man nur in einem Schlösschen auf Sizilien gestoßen.

Da lag es schon geografisch näher, mit den Krefeldern zusammenzuarbeiten. Sie stellten ihre kostbaren Vorlagen für die Rekonstruktion neuer Seidentapeten zur Verfügung. Europaweite Recherchen waren nötig, um haargenau den gleichen Seidenstoff als Malgrund zu bekommen.

In Norditalien wurde man fündig. Judidt Seider, eine Restauratorin, die vor ihrem Studium die Porzellanmalerei gelernt hatte, gestaltete nach den Vorlagen die neuen wassertürkisfarbenen Wandbespannungen mit ihren Blumenranken, Vögeln und Schmetterlingen.

Inzwischen präsentiert sich das historische Schreibkabinett auf Schloss Charlottenburg im alten Glanz. Das Textilmuseum erhielt als Dank für seine Kooperation nun genau die 1,20 Meter lange, bemalte Seidenstoffbahn, geschenkt, die in dem eigenen, drei Meter langen Original fehlte.

Wann diese Kostbarkeit der Öffentlichkeit gezeigt wird, ist noch unklar. Nur eine Nummer und ein Platz im Museumsarchiv sind dem Schatz bislang sicher.