Wirtschaft Firma revolutioniert Vlies-Entsorgung

Andritz Küsters hat eine Produktionsanlage für biologisch abbaubare Hygienetücher entwickelt.

Foto: abi

Krefeld. Sorglose Menschen werfen gebrauchte Kosmetik-, Pflege- und Hygienetücher gerne in die Toilette. Zum Schrecken der Kanalisations- und Kläranlagenbetreiber, denn dieser achtlos entsorgte Hausmüll lässt ganze Abwassersysteme kollabieren. Damit soll bald Schluss sein, wenn es nach dem Krefelder Maschinenhersteller Andritz Küsters geht. Die Spezialisten von der Eduard-Küsters-Straße/Ecke Gladbacher Straße haben gemeinsam mit einem Schwesterunternehmen aus Frankreich eine Produktionsanlage für Vliesstoffe entwickelt, die wasserlöslich und biologisch abbaubar sind. Die so hergestellten Feuchttücher lösen sich in Minutenschnelle auf und können in der Toilette entsorgt werden.

Geschäftsführer Andreas Lukas und Marketingmanagerin Helga Kenis sind soeben von der weltgrößten Textilmaschinenmesse ITMA in Mailand zurückgekehrt. „Die für unsere Branche wichtige Messe verzeichnete einen Andrang wie noch nie“, berichtet Andreas Lukas. „Unser Team aus 25 Mitarbeitern ständiger Standbesatzung hat rund 1000 Fachbesucher begrüßt - mit regem Interesse an unserer neuen Technologie.“ Drei Anlagen seien bereits verkauft, über weitere werde verhandelt und die Zielmärkte seien weltweit definiert. Im Prinzip seien dies alle Wohlstandsländer, die Wert auf nachhaltigen Umweltschutz und Lebensqualität legen.

Einen kurzfristigen Absatzboom erwartet Lukas trotz nur eines europäischen Wettbewerbers nicht, eher eine kontinuierlich steigende Nachfrage. Schließlich müssen die Hersteller von Vliesstoffen für eine Komplettanlage, die bis zu 100 Meter lang ist, rund 20 Millionen Euro investieren. Der Geschäftsführer erhofft sich allerdings einen größeren Markt für die Umrüstung traditioneller Anlagen auf die innovative Technik, die man schon für etwa ein Viertel des Neupreises haben könne.

Die Technik sei nicht komplett neu, sondern aus dem Papiermaschinenbau entlehnt, einem weiteren Standbein des Unternehmens, das seit 1953 in Krefeld zu Hause ist und sogenannte Kalander, ein Walzensystem, produziert. Textil/Vlies- und Papiermaschinenbau machen jeweils 50 Prozent der Produktion aus.

Technisches Kernstück ist ein Schrägsieb, auf dem die Fasern des Naturprodukts aus 80 Prozent Viskose und 20 Prozent Zellstoff mit Wasser angeströmt, ausgerichtet und anschließend mit Wasserstrahlen verfestigt werden, bevor die Trocknung beginnt. Die so hergestellten Feuchttücher lösen sich in Minutenschnelle auf. Dies zeigt ein einfacher Laborversuch, den Techniker Adamo di Sinno spektakulär vor der kleinen Laboranlage demonstriert, die für Testzwecke genutzt wird. Er gibt ein Stück Vliesstoff in ein Wasserglas, schüttelt es leicht und sofort beginnt gut sichtbar die Auflösung.