Interview Millioneninvestitionen in den Chempark

Krefeld · Chempark-Chef Lars Friedrich spricht im WZ-Interview über neue Projekte in Uerdingen, die Freude am neuen Eigentümer und Fortschritte in der Diskussion um den Rheinblick.

Chempark-Chef Lars Friedrich: Industriearbeitsplätze sind ein Garant für Einkommen.

Foto: wz/currenta

Herr Friedrich, die Corona-Pandemie hat die Wirtschaft fest im Griff. Welche Auswirkungen spüren Sie im Chempark Uerdingen?

Friedrich: Der Chempark Krefeld-Uerdingen ist sehr stabil aufgestellt und profitiert von der breiten Aufstellung der hier ansässigen Firmen, die in unterschiedlichsten Märkten tätig sind. Meine Botschaft: Die Industriearbeitsplätze sind in der jetzigen Zeit Garant für Einkommen. Die Kurzarbeiterquote ist minimal. Das ist auch Stabilität für die Kommunen, in denen wir unterwegs sind. Wenn wir aber einen zweiten harten Lockdown bekommen, dann würde es auch für die robuste deutsche Wirtschaft sehr schwierig.

Wie wird sich die Situation auf Zukunftsinvestitionen in den Standort Krefeld auswirken? 2019 haben sie erneut Rekordinvestitionen getätigt, wie sieht es 2020 aus?

Friedrich: Die langfristigen Investitionen laufen weiter. Ein paar Beispiele: Wir investieren am Standort Krefeld in neue Logistiklösungen. Da sind wir aktuell dabei, es fehlen aber noch ein paar Unterschriften. Chemion baut für drei Millionen Euro einen neuen Salzkran. Lanxess baut den Hydrierbetrieb weiter aus. Das ist ein Weltmarktführer aus Krefeld. Dort wird unter anderem Menthol für Zahnpasten hergestellt. Currenta investiert neun Millionen Euro in die Erneuerung des Betriebswassernetzes, quasi in Rohre unter der Erde. Wir pumpen aus dem Rhein Wasser zur Kühlung und pumpen es danach wieder zurück. In dem System haben wir Engpässe festgestellt, die wir nun beseitigen.

Im August wird ein Gericht wohl endgültig darüber entscheiden, ob die CO-Pipeline vom Chempark Dormagen zum Standort Uerdingen in Betrieb genommen werden darf. Sollte das Gericht dies untersagen, welche Folgen wird das haben?

Friedrich: Die Pipeline ist grundsätzlich ein Thema der Covestro. Wenn ich aber den Blick als Standortbetreiber darauf richte, haben wir natürlich auch ein Interesse daran. Sie würde dazu beitragen, den Standort Uerdingen weiter zu stabilisieren. Die Pipeline ist für Covestro wichtig und damit für den Chempark. Diese Pipelines sind vom Grundsatz her die sichersten Transportmittel,  im Vergleich zu Lkw, Bahn, Schiffen. Nun ist die Diskussion um diese Pipeline aber sehr belastet und voll von Emotionen. Kommt die Pipeline nicht, ist dies keine positive Botschaft. Für die Chemie nicht, weil es zeigt, dass Verfahren langfristig nicht rechtssicher durchgeführt werden können. Aber auch für uns nicht. Wenn ich sehe, welche Zeit zwischen Idee bis heute vergangen ist, da ist der Berliner Flughafen ein Schnellbau-Projekt. Bei aller Liebe, das ist zu lang. Industriepolitik muss Rechtssicherheit für die Unternehmen bieten und die Interessen der Nachbarn wahren. Aber das muss auf einem schnellen Format funktionieren.

Sie haben zuletzt grundsätzlich die langen Genehmigungsverfahren beklagt.

Friedrich: Die Landesregierung ist schon auf die Themen eingestiegen. Die Geschwindigkeit wird erhöht. Wo es oft hakt, ist bei der Ausstattung der Behörden. Diese bekommen immer mehr Aufgaben, doch nicht in gleichem Maße mehr Personal.

Wie viele freie Flächen gibt es im Chempark Uerdingen?

Friedrich: Relativ wenig, um die 20 Hektar. Aber das sind Grundstücke unserer Partnerfirmen, nicht der Currenta. Die gehen sehr sorgfältig mit Blick auf ihren eigenen künftigen Bedarf damit um, denn es gibt nur wenige Möglichkeiten in NRW, Chemie zu produzieren. Als Gewerbeoption können diese Flächen nicht dienen.

Das heißt, sie können nicht mehr stark wachsen.

Friedrich: Wachstum sieht bei uns anders aus. Es geht darum, in den alten Mauern neue Anlagen zu bauen, vorhandene zu erweitern, also die Leistungsfähigkeit zu erhöhen. Sie bauen keine neue Fabrik, aber sie ändern ihre Anlagen, auch, um effizienter zu sein.

2016 schon hätte ein neues Gaskraftwerk im Chempark Uerdingen ans Netz gehen sollen. Wie ist der Stand?

Friedrich: Vor dem Hintergrund der stetigen Änderung der marktwirtschaftlichen und insbesondere der energiepolitischen Rahmenbedingungen sind Investitionen in hocheffiziente thermische Kraftwerke weiterhin in Frage gestellt. Die Anfang Juli erfolgte Verabschiedung der Kohleausstiegsgesetzgebung einschließlich Änderungen zur Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung hat zu weiteren Unsicherheiten auch hinsichtlich einer Realisierung des GuD-Kraftwerks im Chempark Krefeld-Uerdingen geführt. Wir prüfen auf dieser Grundlage nach wie vor verschiedene Optionen. Unabhängig davon sind wir überzeugt, dass die effiziente und flexible Kraft-Wärme-Kopplung genau die richtige Technologie für den Standort Krefeld-Uerdingen ist.

Die Übertragung der Lanxess-Anteile an Mira ist erfolgt. Erwarten Sie Veränderungen durch ihre neuen Eigentümer?

Friedrich: Der Anteilseigentümerwechel ist eine gute Nachricht für alle Mitarbeiter der Currenta-Gruppe, also  Currenta, Chemion und Tectrion  - und übrigens auch für den ganzen Chempark. Mit Mira – einem erfahrenen Infrastrukturinvestor – als langfristig orientiertem Eigentümer an unserer Seite werden wir unsere auf Wachstum und Innovation ausgerichtete Strategie weiter entwickeln können. Der Chempark steht damit auch in Zukunft für attraktive und wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen. In der Eigentümerschaft von Chemiefirmen waren wir immer nur Randgeschäft – jetzt werden wir mit dem Betrieb von Infrastruktur  Kerngeschäft, und das eröffnet neue Möglichkeiten. Ich persönliche begrüße die neue Eigentümerstruktur.

Wie ist der Stand beim Projekt Rheinblick?

Friedrich: Wir freuen uns über eine gesunde Entwicklung in Uerdingen. Aber es muss auch eine Industrieverträglichkeit da sein, vor allem im Hinblick darauf, dass wir laufend neue Genehmigungen brauchen. Wenn wir Nutzungen in die Nähe unserer Standorte bekommen, die diese Genehmigungen gefährden, können wir das im Sinne der Betriebe und Mitarbeiter nicht akzeptieren. Mein Herz hängt ein bisschen mehr an Gitterrosten als an Glasbalkonen. Das ist mein Job. Ich will nicht verhindern, aber dafür sorgen, dass beides funktioniert. Jeder, der dort einzieht, muss wissen, dass nebenan Chemieproduktion stattfindet. Wir sind auf einem vernünftigen Weg, und ich gehe davon aus, dass es in den nächsten Monaten Klarheit gibt.

Sind Sie froh, dass Krefeld nun einen Wirtschaftsdezernenten hat?

Friedrich: Krefeld hat beim Thema Wirtschaft Handlungsbedarf. Da hat es schon Sinn, wenn die Stadt einen Wirtschaftsdezernenten hat, der die für Stadt und Standort wichtigen Themen wie Industrie, Internationalisierung und Digitalisierung nun sichtbar auf die oberste Verwaltungsebene hebt. Wir unterstützen Herrn Preen in seiner neuen Aufgabe gerne und wünschen uns von ihm eine starke Brücke in die Verwaltung, um dort unseren Belangen Stimme und Gesicht zu verleihen und die eingangs erwähnten Genehmigungsprozesse zu beschleunigen. Sicher wäre ein hauptberuflicher Dezernent schöner, aber wir kommen von Null auf Halb – und das ist besser als Null.