Trotz oder wegen der Krise: Wir haben uns etwas gegönnt
IHK-Chef Dieter Porschen über Branchen ohne Rezession und die Verbindung von Schweinegrippe und Kreditklemme.
Krefeld. Die deutsche Wirtschaft ist 2009 tief in die Rezession gerutscht. Wir sprachen mit Dieter Porschen, dem Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Mittlerer Niederrhein, darüber, welche Branchen es in Krefeld besonders hart getroffen hat, wie die Aussichten für 2010 sind und was die Stadt tun muss, um sich als Oberzentrum am Niederrhein zu behaupten.
DieterPorschen: Viele Firmen bei uns sind stark exportorientiert. Sie wurden vom Abschwung voll erwischt. Die Krefelder Industrie muss 2009 ein Umsatzminus von 31 Prozent verkraften. Jetzt aber zieht der Export wieder an, er kann uns wieder aus dem Keller helfen.
Porschen: Die Bauwirtschaft leidet sehr. Hoffentlich werden aus den Konjunkturprogrammen bald Aufträge für Handwerk und Bau. Logistikbetriebe spüren die Krise immer sehr früh und sehr kräftig. Zusätzlich wurden sie durch eine völlig überzogene Mauterhöhung gebeutelt. Sie werden aber auch bei den ersten sein, die von der wirtschaftlichen Erholung profitieren.
Porschen: Auch in schlechten Zeiten wird gegessen und getrunken. Die Nahrungs- und Genussmittelindustrie hat am Niederrhein vergleichsweise stabil abgeschnitten. Auch im Handel sieht es nicht so schlecht aus, wie viele Anfang 2009 fürchteten. Baumärkte und Möbelhäuser haben sich in der Krise gut geschlagen. Die Leute waren bereit, rund ums Wohnen Geld auszugeben. Trotz oder wegen der Krise: Wir haben uns etwas gegönnt.
Porschen: Besser als erwartet. Kurzarbeit und betriebliche Bündnisse helfen sehr. Die Unternehmen haben aus früheren Krisen gelernt und versuchen, die Stammbelegschaft zu halten. Trotzdem wird die Arbeitslosigkeit von derzeit neun Prozent im Agenturbezirk Krefeld im nächsten Jahr spürbar wachsen. Die vielfach beschriebene Katastrophe bleibt aber aus.
Porschen: Kreditklemme und Schweinegrippe haben etwas gemeinsam: Sie wurden zumindest bisher überbewertet. Richtig ist, dass sich die Kreditkonditionen für viele Unternehmen verschlechtert haben. Schwer haben es vor allem kleine Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern. Eine generelle Kreditklemme gibt es aber nicht: Nur bei 2,9 Prozent der Firmen wurden Kredite abgelehnt.
Porschen: Wahrscheinlich ja. Die oft schlechteren Firmenbilanzen des Jahres 2009 dienen dann als Grundlage der Kreditvergabe. Hier könnte es schwierig werden - auch für Banken und Sparkassen, die für solche Kredite mehr Eigenkapital hinterlegen müssen.
Porschen: Sehr positiv. Die Ehe von Krefeld und Neuss im Hafenbereich ist ein Glücksfall. Wir haben die Flächen, die Neusser das Hafen-Know-how. Um zu wachsen, braucht der Hafen aber bessere Verkehrswege. Die Südanbindung an die A57 muss ebenso kommen wie der Ausbau der B288 Richtung Duisburg.
Porschen: Der Einzelhandel in der Krefelder Innenstadt steht gut da: Die Zahl der Kunden aus dem Umland wächst, der Ostwall ist endlich hergerichtet. Und 2010 haben wir ein Problem, aber auch eine Chance: Das bald leerstehende Hortenhaus bildet mit Seidenweberhaus und Theaterplatz ein Areal, das Raum für Stadtgestaltung eröffnet. Hier ist Phantasie gefragt und möglich. Die Nutzungskonzepte müssen den Zielen der Stadtgestaltung dienen.
Porschen: In der Grotenburg ist immer wieder kräftig renoviert worden. Ich glaube nicht, dass eine Abrissdebatte zu einem guten Ergebnis führt. Der Krefelder Fußball braucht eine große Bühne.
Porschen: Der Eiserne Rhein wird in jedem Fall kommen. Wir empfehlen der Stadt Krefeld, sich politisch für besseren Lärmschutz einzusetzen. Eine Blockadehaltung gegen die Nutzung der Strecke wird den Anliegern beim Lärmschutz nicht helfen.
Porschen: Wir brauchen in Krefeld für die Chemieindustrie ein Grundlastkraftwerk. An 365 Tagen im Jahr müssen gleichzeitig Dampf und Strom erzeugt werden. Ein Kohlekraftwerk ist im Gegensatz zu einem Gaskraftwerk ideal geeignet, um das zu leisten.
Porschen: Die IHK hat sich für diese Lösung eingesetzt. Wenn die Bundesregierung die Lösung jedoch offenkundig ablehnt, ist diese Option nicht mehr realistisch. Schließlich muss der Bund das Projekt finanzieren. Um den Stillstand des Verkehrs zu verhindern, muss der Ausbau kommen. Deshalb sollten sich Politik und Verwaltung darauf konzentrieren, den Lärm und die Feinstaubbelastung zu reduzieren.