Amtsschimmel bremst Integration aus
Monatelang arbeitet der Afghane Bahir Barna in der Bären-Apotheke. Doch kurz vor der Prüfung zum Apotheker kommt das Aus. Ein Dokument fehlt. Barna wird nicht zugelassen, darf nicht einmal mehr arbeiten. Die Facebook-Gemeinde ist empört.
Erkrath. „Ich musste meinen Frust einfach mal loswerden“, sagt Wolfgang Wittig, Inhaber der Bären-Apotheke am Neuenhausplatz im Erkrather Stadtteil Unterfeldhaus. Deswegen schrieb er am Freitag auf dem Weg ins Pfingstwochenende folgenden Facebook-Post: „Wir bedauern sehr, uns von unserem Mitarbeiter Bahir Barna verabschieden zu müssen. Herr Barna hat sich die letzten sieben Monate auf seine Gleichwertigkeitsprüfung zur Anerkennung seines pharmazeutischen Abschlusses der Uni Kabul vorbereitet. Dazu hatte er eine Arbeitserlaubnis von der Bezirksregierung Düsseldorf, um als Apotheker unter Aufsicht arbeiten zu dürfen. Viele von Euch haben erlebt, wie Herr Barna in sehr gutem Deutsch fundiert zu allen Arzneimittelfragen beraten hat. Eigentlich stand der Prüfung nichts mehr im Weg und er hätte in Kürze als Apotheker arbeiten dürfen. Wenn wir es richtig verstehen, ist nun jedoch letzten Monat jemandem aufgefallen, dass ein notwendiges Dokument fehlt und eigentlich auch keine Arbeitserlaubnis hätte ausgestellt werden dürfen. Eine Behörde in Berlin soll sich nun darum kümmern, dass das Dokument aus Kabul neu angefordert wird. Ob das wirklich funktioniert und wie lange das dauert, kann uns leider niemand sagen und Herr Barna bekommt in der Zwischenzeit auch keine Verlängerung seiner Arbeitserlaubnis, um wenigstens sein Praktikum bei uns fortsetzen zu dürfen. Wir freuen uns, wenn ihr diesen Beitrag teilt und haben die Hoffnung, dass es irgendjemand liest, der die Möglichkeit hat den ganzen Prozess zu beschleunigen. Wir danken Herrn Barna für sein hervorragendes Engagement und hoffen sehr, dass wir ihn bald zur Approbation als Apotheker beglückwünschen dürfen.“
Zehntausende teilten daraufhin den Kommentar, viele kommentierten auch. Es ist einer von diesen Vorgängen, bei denen sich viele an den Kopf fassen: Ein Mann aus dem Ausland, fachlich hoch qualifiziert und mit sehr guten Deutschkenntnissen, möchte hier arbeiten. Jetzt fehlt offenbar ein Dokument — und der Traum könnte platzen.
Wolfgang Wittig, Apotheker
Der Mann heißt Bahir Barna und kommt aus Afghanistan. Seit sieben Monaten bereitet er sich laut Wittig schon darauf vor, um in Deutschland als Apotheker anerkannt zu werden. Er hat in Kabul Pharmazie studiert. Eine Aufenthaltsgenehmigung und eine Arbeitserlaubnis für Deutschland hat er. Und bisher durfte er mit einer Sondergenehmigung auch in der Bären-Apotheke als Praktikant arbeiten — unter Aufsicht. Eigentlich habe der Prüfung nichts mehr im Weg gestanden. Dann hätte Barna als Apotheker arbeiten dürfen, wäre da nicht die Sache mit dem notwendigen Dokument, das nun fehlt.
Was Wolfgang Wittig besonders ärgert: Dass bisher gar nicht klar ist, wo das Problem liegt. Welches Dokument fehlt? Und warum ist das bisher keinem aufgefallen? Diese Fragen bleiben bislang unbeantwortet. „Eine Berliner Behörde soll sich nun darum kümmern, dass das Dokument aus Kabul neu angefordert wird. Ob das funktioniert und wie lange das dauert, kann niemand sagen.“
Fest steht: Barna darf seit dem 1. Juni nicht mehr in der Apotheke arbeiten. Nun wollen die Kollegen gemeinsam mit ihm die Facebook-Kommentare sichten und schauen, ob dort jemand vielleicht Erfahrungen mit der Situation hat — oder eine gute Idee. Und Wittig wartet darauf, dass sich bald jemand aus der Behörde meldet und dass sich die Situation klärt. „Manchmal geht so etwas ja schneller, wenn viele Menschen auf die Situation aufmerksam geworden sind.“
Der Apotheker war dann gestern auch noch ziemlich damit beschäftigt, die vielen Facebook-Kommentare zu lesen und eine stattliche Telefonliste, darunter einige Interview-Anfragen von diversen Medien, abzuarbeiten. Gemeinsam mit Bahir Barna will er nun überlegen, wie die große Aufmerksamkeit für dessen Weiterbeschäftigung in der Apotheke genutzt werden kann. „Es haben sich auch schon Bundestagsmitglieder bei mir gemeldet und ihre Hilfe angeboten“, sagte Wittig.
Bahir Barna, der sich gestern noch einmal zur Beratung mit Wittig getroffen hat, betrachtet den großen Rummel um seine Geschichte allerdings mit gemischten Gefühlen. Er wolle auf keinen Fall gegen das System arbeiten und sorge sich, dass die ganze Aufmerksamkeit am Ende eher schaden als nützen könnte. „Herr Barna ist ein bescheidener, zurückhaltender Mensch. Wir hoffen, dass es bald eine Lösung gibt“, sagt Wolfgang Wittig.