Der allein das Nordkap beradelt

Ein 19-jähriger Erkrather bereiste alleine mit dem Rad Skandinavien. Sven Ratajczak berichtet von unvergesslichen Eindrücken auf dem Weg zum Nordkap. In 40 Tagen radelte er 3600 Kilometer.

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Erkrath. Momentan sitzt Sven Ratajczak in Aachen fest. Zum Wintersemester hat der heute 20-jährige Hochdahler sein Elektrotechnik-Studium an der RWTH Aachen aufgenommen. Doch eigentlich juckt es ihn schon längst wieder in den Beinen. Wenn er Zeit hätte, würde er sich gleich wieder aufs Rad schwingen. Denn drei große Radfahrerträume hat er: Einmal über die Seidenstraße, einmal quer durch Kanada und dann noch die Panamericana entlang radeln — Traumrouten, die schon mit dem Auto eine Herausforderung sind. Aber mit dem Fahrrad?

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Für Sven Ratajczak ist das Fahrrad das einzige richtige Transportmittel, um eine Reise voll und ganz genießen, in die Landschaft eintauchen und sie im wahrsten Sinne des Wortes „erfahren“ zu können. Dabei hat er mit dem Tourenradfahren erst vor drei Jahren angefangen. „Mit dem Auto fährt man einfach von A nach B. Mit dem Fahrrad sieht man die Landschaft dazwischen und kann sie auch genießen“, sagt er. Ansonsten sei Radfahren gar nicht so sein Ding: „Ich brauche ein Ziel, muss etwas sehen.“

Ein Weltenbummler war er schon immer. Bereits als Kind und Jugendlicher hat er mit seinen Eltern oft Skandinavien und Kanada bereist. Nach seinem Abi, das er 2015 am Gymnasium Hochdahl gemacht hat, ist er zunächst durch Neuseeland gereist und hat seinen Aufenthalt mit Jobs vor Ort finanziert. Kaum wieder daheim, schnappte er sich sein Rad und fuhr 2400 Kilometer von der Quelle der Donau bis zur serbisch-rumänischen Grenze. „Abenteuerlich war es dann, mit Bus und Bahn wieder zurückzukommen“, erinnert er sich, „denn zu der Zeit wurde gerade die Grenze wegen der Flüchtlinge dicht gemacht.“

Diesen Sommer hat Sven sich dann alleine mit dem Rad in Richtung Norden aufgemacht. 40 Tage war er von Oslo, Norwegen, bis Rovaniemi, Finnland, unterwegs, hat rund 3600 Kilometer und 35 000 Höhenmeter abgestrampelt — und dabei 30 Regentage erlebt. Seine Hauptbeschäftigung auf den Zeltplätzen war es dann, die Klamotten wieder trocken zu kriegen. „Ich hab eigentlich immer in einem feuchten Zelt geschlafen. Spaß macht das bei solchen Bedingungen nicht. Da braucht man schon Willensstärke“, gibt er zu: „Wenn es bis zu den Lofoten nicht aufgehört hätte zu regnen, wäre ich mit den Rest der Strecke mit den Hurtigruten weitergefahren.“ Doch — gerade so, als habe Petrus ihn erhört — ließ der Regen nach, dafür kam ihm ein steifer Nordwind entgegen. „Die letzte Woche vor dem Nordkap schien dann endlich die Sonne und ich hatte Rückenwind“, erzählt der Student, und man merkt, dass er die Zeit genossen hat: „Ein schöner Tag entschädigt für alles.“ Und das Gefühl, wenn man sein Ziel trotz der Strapazen dann endlich erreicht hat, sei unbeschreiblich.

Wieder zuhause, schwärmt Sven Ratajczak von der Küstenstraße, den Bergen Norwegens, der einzigartigen „Mondlandschaft“ des Nordkaps. Und was ist mit der Einsamkeit? „Die Einsamkeit ist super. Und wenn dann in der Einsamkeit noch jemand trifft, ist das noch besser. Wirklich alleine ist man eigentlich nie“, erklärt er. Lediglich die ersten fünf Tage habe er keine anderen Radreisenden getroffen, danach täglich mindestens zwei: „Man hält an, unterhält sich über die Strecke und trifft sich immer wieder irgendwo wieder. Jeder kennt jeden“, lacht er: „In Skandinavien gibt’s halt nur eine große Straße.“ Mit einem Waliser ist er so ein Stück des Weges zusammengefahren, ebenso mit einer Italienerin, mit der er dann auch gemeinsam die Ankunft am Nordkap gefeiert hat. Einen Belgier hat er kennen gelernt, eine Rentnerin aus Deutschland, die mit ihrem Wohnmobil unterwegs war, hat ihm selbstgemachte Marmelade geschenkt und ihn zum Essen eingeladen. Mit einem Motorradfahrer hat er Zeit am Lagerfeuer verbracht und ein Norweger hat ihn auf seinen selbstgebauten Naturlehrpfad eingeladen. Die Freundlichkeit der Leute, die er getroffen hat, imponiert ihm noch heute.

Letztlich kam Sven zehn Tage früher am Nordkap an als geplant und entschied sich dann, noch weiter nach Finnland zu fahren. In Rovaniemi war für ihn dann allerdings Endstation bei Temperaturen von minus fünf Grad Celsius und wieder einmal sehr viel Regen. Obwohl er doch froh war, irgendwann im warmen Zug zu sitzen, schwingt auch Wehmut mit: „Ich wär’ gerne noch bis Helsinki weiter gefahren, hatte aber keine Zeit wegen des Studiums. Man ist so im Rhythmus, will gar nicht aufhören“, schwärmt er. Allen, die auch schon immer mal mit einer großen Tour geliebäugelt haben, rät Ratajczak: „Auf jeden Fall machen!“