Rentner radeln bis zum Nordkap

Josef Herkenrath aus Lobberich und sechs Mitstreiter trainieren schon.

Foto: Knappe

Lobberich. Sigi Hochbein ist vor einem Monat in den Ruhestand gegangen und hatte große Sorgen, in ein Loch zu fallen. Die plötzliche Freiheit und keine Aufgabe mehr zu haben, müsse man verarbeiten, sagt der 65-Jährige. Inzwischen ist er von diesen Gedanken weit entfernt. Der Tönisvorster hat sich Josef Herkenrath angeschlossen. Mit fünf anderen wollen sie mit dem Fahrrad bis zum Nordkap fahren. „Die Gruppendynamik hat mich aufgefangen“, sagt Hochbein.

Der Lobbericher Herkenrath hatte im August nach Mitstreitern für seine geplante Tour gesucht. „In der ersten Woche haben sich elf gemeldet, sechs sind dabei geblieben“, sagt der 65-Jährige. Seitdem trifft sich die Gruppe zweimal in der Woche und trainiert für die mehr als 7000 Kilometer lange Route. „Wir fahren etwa 80 bis 100 Kilometer“, sagt Herkenrath. Diese Strecke wollen sie auch auf ihrer Reise täglich zurücklegen. Sie fahren bei Wind und Wetter, denn auch in Skandinavien wird es im April, wenn es losgeht, noch nicht warm sein. „Außerdem können wir so schon mal unsere Kleidung testen“, sagt der 65-Jährige, der 2016 über die Alpen wanderte.

Das Nordkap auf der norwegischen Insel Magerøya ist zwar nicht der nördlichste Punkt Europas, aber ein beliebtes Ziel für Touristen. Die hinausstehende Felswand ragt an ihrem höchsten Punkt 307 Meter über dem Eismeer empor. Etwa 3000 Kilometer ist das Kap von Nettetal entfernt. „Allein ist diese Strecke unmöglich zu bewältigen“, sagt Gregor Ingenhaag aus Brüggen. Er ist mit 62 der Jüngste unter den Radlern. „Aber zusammen schaffen wir das Unmögliche. Die Gruppe ist zusammengewachsen und jeder motiviert den anderen“, sagt er. Liesel Lotzener-Jentges bestätigt: „Ich habe in der kurzen Zeit gelernt, was positives Denken bewirken kann“, sagt die 66-Jährige aus Schwalmtal.

Sie alle reizt die Herausforderung. „Ich dachte mir: So eine Chance musst du ergreifen“, sagt die Niederländerin Leony de Haas (71), die seit gut 40 Jahren in Leuth wohnt. Herkenrath ergänzt: „Die Herausforderung ist es, für längere Zeit aus dem Alltagstrott heraus zu sein. Man trifft auf seine eigenen Stärken, aber auch seine Schwächen.“ Roswitha Schilden (69) habe zudem die Spendenidee überzeugt. Denn die Gruppe will mit ihrer Tour auch Gutes tun: Geld sammeln für das Projekt „Skill up“ der Welthungerhilfe. Damit wird jungen Menschen in Uganda, Sierra Leone, Kenia und Tadschikistan eine Ausbildung ermöglicht. „Man kann uns mit einem festen Betrag unterstützen oder pro Kilometer spenden“, so Herkenrath. Die Welthungerhilfe hat dafür Flyer drucken lassen.

Eine große Sorge Herkenraths hat sich am Neujahrstag erledigt. Dann meldete sich Dietmar Schleef aus der Gemeinde Kalletal im Kreis Lippe. Er sagte zu, das Begleitfahrzeug, einen Mercedes 508, zu fahren. „Das gibt uns viel Sicherheit“, sagt Herkenrath. Das Wohnmobil bietet Schlafplätze für sechs Personen, eine Dusche sowie eine Toilette und soll Ersatzteile, Gepäck sowie Verpflegung transportieren. „Innerhalb kürzester Zeit war klar: Da mache ich mit“, sagt der 66-jährige Schleef. Hartmut Ploenes trainiert mit der Gruppe, aber hat sich entschieden, nicht bis zum Nordkap mitzufahren. „Es ist mir zu beschwerlich“, so der 77-Jährige.

Am 23. April soll die Reise losgehen, zunächst bis Haltern am See, von Fehmarn aus setzt die Gruppe mit der Fähre nach Dänemark über und radelt entlang des Bottnischen Meerbusens bis zum Nordkap.