Gesteins — magischer Ort für Maler
Die Erkrather Hobbyhistorikerin Hanna Eggerath findet immer wieder neue Gemälde aus dem Neandertal.
„Empfangen wurden sie vom Gesang tausender Vögel und einem rauschenden Bach. Die Felsstücke lagen übereinander getürmt, als hätte Gott sie im Zorn zerschlagen. Von ihren Wänden rieselten Quellen herab.“ Ein Poet hätte es nicht besser zu Papier bringen können. Getan hat es dann doch ein Schreibender des Rheinisch-Westfälischen Anzeigers — vor 200 Jahren.
Der Autor hatte sich mit einem Führer auf den Weg ins „Gesteins“ gemacht — viele Maler der Düsseldorfer Akademie waren schon vor ihm dort und sollten im später dorthin folgen. Schirmer, Sonderland, Koekkoek: Es sind große Namen aus der Düsseldorfer Künstlerszene, die sich in die lange Reihe derer einreihen, die ihr künstlerisches Werk auch der oft beschworenen Magie des Neandertals verdanken.
Das wir all das heute wissen, ist ein Verdienst der Heimatforschung. Denn es ist die Erkrather Hobbyhistorikerin Hanna Eggerath, die schon seit den 1980er Jahren den Spuren der Landschaftsmaler durchs „Gesteins“ folgt. Wird heute irgendwo auf der Welt ein Bild gefunden, auf dem das damalige Neandertal abgebildet sein könnte, klingelt bei ihr das Telefon. „Dann muss ich mich kümmern“, gibt sie einen Einblick in die mühsame Recherche.
Sie hat in Schirmers „Lebenserinnerungen“ geschmökert und ist in Kontakt mit Museen und Kunstexperten. Sie ist vor Jahren mit einem schwedischen Maler durchs Tal gepilgert und hat sich Geschichten über Werner Holmberg erzählen lassen. Denn der hatte jahrelang in der Brügger Mühle gewohnt, um von dort aus mit Skizzenblock und Zeichenstift ins Tal zu wandern. Mit ihm pilgerten andere kreative „Feingeister“ über die Chaussee ins „Gesteins“, um dort zuweilen von den Launen der Wettergötter überrascht zu werden. „Holmberg hat an einem solchen Gewittertag trotzdem weitergemalt und das Bild später seiner Verlobten geschenkt, die damals mit ihm im Tal war“, verrät Hanna Eggerath.
Dort wurde übrigens nicht nur gemalt, sondern offenbar auch gefeiert. Es mag ein lauschiger Sommertag im Jahre 1826 gewesen sein, an dem sich nicht nur die Akademieschüler, sondern auch die Herren Professoren auf den Weg machten, um inmitten der romantischen Felslandschaft ein opulentes Frühlingsfest zu feiern. Am Vormittag wurden auf dem Akademiehof die Pferde eingespannt. „Ein Fässchen Wein nebst kalter Küche wurde in die Neanderhöhle gebracht. Währenddessen belebte die bunte Gesellschaft mit jauchzendem Gesange die einsame Waldschlucht“, notierte der Maler Schirmer später in seinen „Lebenserinnerungen“.
Irgendwann jedoch war es mit der romantischen Stille im „Gesteins“ endgültig vorbei. Denn es kam der Kalkabbau, und mit ihm die laute Zerstörung eines Idylls. Fortan klopfte und krachte es wohl unentwegt entlang der Düssel, an Ruhe und kreative Inspiration war nicht mehr zu denken. Als später auch noch die Eisenbahn über die Höhen dampfte und mit ihr Scharen schaulustiger Wanderer in das einstmals ruhige Fleckchen einfielen, mag irgendwann auch der letzte Künstler seine Staffelei eingepackt haben.
Was bleibt, ist die Erinnerung an ein unberührtes Fleckchen Natur — verewigt auf beinahe 100 Landschaftsbildern aus längst vergangener Zeit. Übrigens: Vor den Recherchen von Hanna Eggerath waren es 15 Zeichnungen und Gemälde, die man eindeutig dem Neandertal als Entstehungsort zuordnen konnte.