Luthers 95 Thesen auf „Augenhöhe“

Die Neanderart Group bringt den Besuchern der evangelischen Kirche das Thema Reformation künstlerisch näher.

Foto: Dietrich Janicki

Erkrath. Nach 500 Jahren kann man auch mal ein ganzes Jahr lang Geburtstag feiern. Der Kirchenkreis Düsseldorf-Mettmann begeht das Jubiläum der Reformation mit verschiedenen Aktionen, wie einem ökumenischen Gottesdienst, der „Nacht der offenen Kirchen“ (13. Oktober) oder dem Kunstprojekt „Augenmerk“. Von Januar bis Oktober wird in jeder der zehn Kirchengemeinden jeweils ein evangelisches Gotteshaus für vier Wochen umgestaltet, also „reformiert“.

Heike Litt, Künstlerin

Den Impuls zu „Augenmerk“ hatte Jürgen Artmann, Pfarrer in Mettmann, gegeben. Die Kirchenräume sollten mit Bezug zu Martin Luther von Künstlern, Studenten und Auszubildenden dekoriert werden. Es war die Aufgabe von Beate Meurer, Öffentlichkeitsreferentin des Kirchenkreises, die Aktion zu organisieren, mit den Pfarrern abzustimmen und die Künstler anzufragen. „Ich habe überlegt, wen es in Erkrath gibt, und bin gleich auf die Neanderart Group gestoßen“, erzählt Meurer. Die Vereinigung von 25 Künstlern um Ralf Buchholz hat schon mit vielen Aktionen und Ausstellungen von sich reden gemacht. „Aber dies ist unsere erste Installation überhaupt“, sagt Buchholz.

Die Installation besteht aus zehn sechs Meter langen Stoffbahnen, die von der Balustrade des Innenbalkons herabhängen und in der Mitte des Raumes zu einem gemalten Auge zusammengeführt werden. Die Stoffbahnen sind mit Farben und schemenhaften Figuren grundiert und mit den 95 Thesen Luthers handbeschriftet. Zur Installation gehören auch vier Stroboskop-Lampen, die das Kunstwerk bei dunklen Außenverhältnissen in ein flackerndes Licht setzen. „Der Wechsel von Lesen und Nichtlesen symbolisiert, dass Luthers Thesen nicht immer gegenwärtig waren und sind“, erklärt Ralf Buchholz. Das Auge wurde von „Anovi Art“ gemalt und hat keine Wimpern, weil die den klaren Blick verdecken können. Eigentlich sind es sogar zwei Augen: Das eine blickt in Richtung Altar, zu Bibel und Kreuz, das andere in die Welt hinaus.

Zum Gottesdienst waren neben Buchholz auch Heike Barbara Litt und Bianca Schulz gekommen. Jeder der drei sowie Lothar Kniep und Anovi Art haben jeweils zwei der Stoffbahnen gestaltet. „Das Projekt hat mir sehr viel Spaß gemacht“, sagt Bianca Schulz. „Ich bin katholisch und habe mich zum ersten Mal mit Luther auseinandergesetzt“, gesteht Heike Litt. Ralf Buchholz fasst zusammen: „In letzter Instanz bin ich froh, dass Beate Meurer uns angesprochen hat. Ich danke auch Pfarrer Herbrecht, dass er uns freie Hand gelassen und heute die passenden Worte gefunden hat“.

Überhaupt sei die Zusammenarbeit mit allen Pfarrern sehr harmonisch abgelaufen. Drei Monate habe die Neanderart Group an dem Projekt gearbeitet. „Es war eine Herausforderung und nicht leicht, fünf Leute zu finden, die sich das Thema zutrauten“ verrät Buchholz. Nun ist er zufrieden mit dem Ergebnis, das dem Kirchenbesucher die 95 Thesen Luthers gleichsam „auf Augenhöhe“ nahebringt.