„Zündstoff“ hilft Schulmüden zurück
Für viele Schüler ist „Zündstoff/Die 2. Chance“ die letzte Hoffnung: Das Projekt richtet sich an Schulverweigerer und führt diese zurück.
Erkrath. Auch beim Wiedereingliederungsprojekt „Zündstoff/Die 2. Chance“ des SKFM Erkrath sind jetzt Sommerferien. Simon (16) hat sich dennoch die Zeit genommen, um bei einem Pressetermin mit Michaela Noll von seinen Erfahrungen mit dem oftmals als „Schulschwänzerprojekt“ betitelten Programm zu berichten. „Ich bin immer regelmäßig zur Schule gegangen, habe dort aber nur meine Stunden abgesessen“, erzählt der 16-Jährige der Bundestagsabgeordneten, die seit zehn Jahren Schirmherrin des Projekts ist: „Für den Unterricht habe ich mich nie interessiert.“
Auf seinen Zeugnissen hagelte es entsprechend Fünfen. Dabei konnte Simon schon damals lernen und gute Leistungen erbringen — wenn er wollte: Stellten ihm seine Eltern Geld oder neue Klamotten für gute Noten in Aussicht, lief’s. Ohne Motivation verfiel er aber sofort wieder in den alten Trott.
„Die Eltern haben meist einen langen Weg mit ihren Kindern hinter sich, wenn sie zu uns kommen“, weiß Anja Weyers, die als Diplom-Sozialpädagogin beim SKFM Erkrath eng mit den Schülern zusammenarbeitet: „Simons Mutter hatte keine Hoffnung mehr“, erinnert sie sich. Vertrauen bei Kind und Eltern aufzubauen, gehört daher zu den wichtigsten Aufgaben von „Zündstoff“, um eine Veränderung zu erreichen. „Der Dreh- und Angelpunkt ist bei uns der Beziehungsaufbau“, fasst Bereichsleiterin Karin Tost zusammen. Denn letztlich kann Wissensvermittlung nur gelingen, wenn die Schüler Vertrauen gefasst haben.
Der SKFM Erkrath bietet den Schülern mit „Zündstoff/Die 2. Chance“ seit 1999 etwas, was ihnen im regulären Schulalltag — und oftmals auch zuhause — fehlt: klare Strukturen, feste Regeln, Motivation und Anerkennung. Bevor Simon in der siebten Klasse in das Wiedereingliederungsprojekt kam, brachte er als Arbeitsmaterialien selten mehr als ein Blatt Papier und einen Stift mit in die Schule. Bei „Zündstoff“ konnte er sich das nicht erlauben: „Wenn etwas fehlte, musste man nach Hause fahren und es holen“, erinnert er sich an feste Regeln, zu denen auch Pünktlichkeit gehört. Auch das Lernen in Kleingruppen von maximal sechs Schülern und das praktische Arbeiten in der Werkstatt kam Simons Lernverhalten sehr entgegen. In der Schule ist er jetzt nicht mehr nur körperlich anwesend, sondern auch geistig. Über so manche Drei auf dem Zeugnis ärgert er sich heute, weil er weiß, dass es mit ein wenig mehr Anstrengung sogar eine Zwei hätte werden können.
„Bei ,Zündstoff’ lernt man, dass man in der Schule Spaß haben kann, wenn man sich am Unterricht beteiligt, sich meldet und sein Wissen weitergibt“, erzählt Simon spürbar glücklich darüber, dass er selbst „die Kurve gekriegt“ hat und gibt zu: „Ohne ,Zündstoff’ hätte ich die Schule abgebrochen.“ Dank der Betreuung durch das Zündstoff-Team weiß er sogar, was er nach der Schule machen will: Sein Traum ist es, — nicht zuletzt dank der Bemühungen von Werkpädagoge Robert Rolih — einen Ausbildungsplatz zum Schreiner zu finden. 97 Schüler konnten erfolgreich in der Schule reintegriert, 66 in berufsvorbereitende Maßnahmen und vier in Ausbildungsverhältnisse vermittelt werden. 32 brachen die Fördermaßnahme ab, fünf der 204 werden noch im Rahmen des Projekts betreut. Die Vermittlungsquote liegt immerhin bei 82 Prozent.