Abstieg vom Schuldenberg
Mit fast 450 Beratungen pro Jahr stößt die Schuldnerberatung des SKFM an die Grenzen ihrer Möglichkeiten
Hilden. Ein spontaner Einkaufsbummel, Prospekte stöbern vor Weihnachten — wer Schulden hat, dem kann das Angst machen. „Ich werde auf keinen Fall noch einmal Schulden machen“, sagt eine 38-jährige Hildenerin, Mutter zweier Kinder. Wenn sie über eine Freundin etwas im Versandhandel bestelle, gebe sie der jetzt das Geld immer bar im Voraus. Für sich selbst bestellen könne sie ohnehin nichts mehr: Die Versandhäuser hätten sie gesperrt.
Ihren Namen verschweigt die Frau ebenso wie die 22-jährige Alleinstehende, die ihr in den Räumen des Sozialdienstes katholischer Frauen und Männer (SKFM) gegenübersitzt: „Ich habe nur meinem Freund von den Schulden erzählt. Und das ging auch nur mit ganz viel Tränen“, sagt die jüngere Frau.
Fast 450 Hildener kamen im vergangenen Jahr zur Schuldnerberatung des SKFM und bemühten sich um eine Privatinsolvenz. Damit hat der SKFM die Grenzen seiner Möglichkeiten erreicht. Mit den Fachleuten können die Ratsuchenden über alles sprechen, das Reden fällt dennoch schwer: „Schulden sind in unserer Gesellschaft tabuisiert“, sagt Beraterin Brigitte Hombach.
Die Zahl der Überschuldeten sei im vergangenen Jahr in Hilden annähernd gleich geblieben, sagt Hombach: „Die Fälle sind komplexer geworden. Die Schuldner haben eine Vielzahl von Gläubigern.“
Insgesamt 46 Gläubiger sind es bei der alleinstehenden Klientin: „Dabei habe ich gedacht, dass ich es halbwegs im Überblick habe.“ Um alle beiseite gelegten Rechnungen und Mahnungen zu finden, habe sie ihre Wohnung aufräumen müssen. Nicht wie erwartet auf etwa 5000 Euro addierten sich die Beträge — sondern auf weit mehr: „Ich habe gedacht: Klasse, ich bin 18. Ich kann jetzt Verträge abschließen.“ Mit Geld zu wirtschaften habe sie zu Hause nicht gelernt.
Der Anlass, etwas zu ändern, seien Gedanken über ihren Sohn gewesen, sagt die 38-Jährige: „Es kann nicht sein, dass ich ihm mal die ganzen Schulden hinterlasse.“ Schließlich könne jeder mal einen Unfall haben oder krank werden.
Die Berater fordern von den Klienten ein, dass Unterlagen sortiert werden, mit der Abzahlung begonnen wird. Sie kennen sich aus mit Pfändungen, wissen wie Einkünfte bei Sozialleistungen angerechnet werden. Ziel ist in vielen Fällen die private Insolvenz: der Erlass der restlichen Schulden nach sechs Jahren des Abbezahlens.
„Man braucht die Mentalität eines Mittelstreckenläufers, um das aufzuarbeiten“, sagt Beraterin Brigitte Hombach. Länger als ein halbes Jahr dauere es, Ordnung in alles zu bringen, die Gläubiger zu kontaktieren, erste Beträge abzuzahlen. Bis zu einem Jahr könne vorher die Zeit auf der Warteliste dauern: „Wir fragen aber immer, ob das Nötigste gesichert ist“, sagt Hombach. Miet- und Stromschulden müssten sofort angegangen werden, ebenso offene Geldstrafen — sonst drohe Verlust der Wohnung oder gar eine Haft.