Alternative zu maroden Unterkünften fehlt

Die Häuser für Obdachlose befinden sich in einem erbärmlichen Zustand. Die Stadt ist jedoch machtlos. Ein Besuch vor Ort.

Haan. Außen bröckelt der Putz, innen auch. Das Haus verrottet, eine Erdgeschosswohnung ist wegen akuten Schimmelbefalls abgesperrt und steht voll Gerümpel. Die kahlen Innenwände sind fleckig, ebenso wie die Linoleumböden im Treppenhaus. Durch die Fensterrahmen zieht es, manches Glas hat Risse. Dennoch: In den beiden Häusern an der Deller Straße, die in Haan als Obdachlosenunterkünfte dienen, wohnen 28 Menschen.

Foto: Ralph Matzerath

Die meisten von ihnen sind alleinstehende Männer, die über je einen Schlaf- und einen kleinen Vorraum verfügen, es gibt aber auch Familien mit Kindern. Die nötigsten Möbel stehen in den Zimmern und kleinen Wohnungen, kahl und karg alles — im besten Fall. Im schlimmsten Fall, und den gibt es auch, ist alles vermüllt, es stinkt zum Steinerweichen.

Geheizt wird mit Strom, weil es keine eingebauten Heizungen gibt, Gemeinschaftsküchen und -duschen sind notdürftig sauber gehalten, Raum zum Leben und Wohnen ist das nicht. „Das ist alles noch absolut im Rahmen“, sagt Ingo Kottheidt. Seit 17 Jahren ist der Angestellte der Stadt Hausmeister der Unterkünfte. Er schaut nach dem Rechten, ist Ansprechpartner für die Bewohner und achtet darauf, dass sie selbst ihr Umfeld saubermachen. Gar nicht so einfach. Die Männer sind oft drogenabhängig, haben Zeiten in Haft hinter sich, kommen Kottheidt gern mal im Rest eines Pyjamas auf der Straße entgegen. „Niemand fragt, warum jemand obdachlos geworden ist“, bedauert Kottheidt. Aber aus welchen Gründen immer: Diese Unterkünfte fallen bald in sich zusammen.

Auch am Standort Heidfeld ist es nicht besser. Eines von zwei Häusern ist seit zehn Jahren unbewohnbar — und von dem bewohnten ließe sich das auch sofort sagen. Ein komplett verdrecktes WC, kaum mehr funktionstüchtig, steht hier stellvertretend für den erschütternden Zustand einer Unterkunft, die längst abgerissen gehört und doch fünf Männern als Heim dient. „Multiple Erkrankungen“ und Veränderungen der Persönlichkeit werden nahezu allen Obdachlosen bescheinigt, zumindest nach einiger Zeit.

Seit zehn Jahren ist sich die Politik darin einig, dass die Häuser abgerissen und die Grundstücke „überplant“ werden müssten, auch morgen Abend steht das Thema im Ausschuss für Stadtentwicklung wieder an. CDU und SPD sprechen davon, dass die Häuser „abgängig“ sind, wie es im Verwaltungsdeutsch heißt. Geschehen ist bisher nichts. Mal scheiterte es am Geld, mal an den Anwohnern und anderen Interessen, so ist zu hören.

Meike Lukat antwortet als Stadtverordnete, die von 2004 bis 2014 im Sozialausschuss mit dem Thema befasst war: „Die eigentlich bereits vor zehn Jahren beschlossene Realisierung am Heidfeld, dort sollte ein Neubau entstehen, scheiterte dann an der Lobbyarbeit für Menschen, die privatwirtschaftlich etwas anderes mit dem Grundstück vorhatten.“ Erste Beigeordnete Dagmar Formella bestätigt die Aussage indirekt.

Fakt ist: „Aktuell zahlt die Stadt für die Unterbringung und Betreuung von Obdachlosen — eine Pflichtaufgabe, übrigens — 1,56 Millionen Euro jährlich“, so Formella. Keine Frage, dass sich mit neueren Quartieren Kosten gerade im Energie- und Versorgungsbereich sparen ließen. Die Grundstücke, auf denen die maroden Häuser stehen, sind städtische. Die Frage ist: abreißen und die Grundstücke veräußern? Das gäbe gutes Geld für die Stadtkasse. Und dann anderswo neu bauen oder mieten. Nur wo? Oder doch die Standorte beibehalten und mehr soziale Wohnungen dort in die Höhe ziehen? Nur mit welchem Geld? Fakt ist auch, dass die Zahl der Menschen, die Haan unterbringen muss, steigt: 85 anerkannte Flüchtlinge werden bald hinzukommen, sie haben keine Chance auf dem freien Wohnungsmarkt.

Apropos Flüchtlinge: Ein guter Teil ist in der ehemaligen Landesfinanzschule untergekommen, wo auch einige „normale“ Wohnungslose Obdach gefunden haben. Betreuer und Security müssen ein hartes Regiment führen, und ab und zu befiehlt Formella: „Jetzt wird hier geputzt!“ Kottheidt und sie bestätigen, dass es Kraft gekostet habe, etwa afrikanische Männer davon zu überzeugen, dass nicht hinter ihnen hergeräumt wird. „Für viele sind Putz- und Wascharbeiten unmännlich“, sagt Kottheidt. „Sie weigern sich einfach.“ Damit das sanierte und neu eingerichtete Gebäude nicht verdrecke oder herunterkomme, seien scharfe Regeln nötig.