Hilden Raphael wünscht sich, gehen zu können

Hilden. · Ein Badeunfall im Elbsee machte Raphael Simson zum Querschnittsgelähmten.

Raphael Simson sammelt Geld für seine Therapie in Australien.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Das erste Mal geht es noch gut, das zweite Mal verändert Raphael Simsons Leben für immer. Dabei hat der 6. Juni 2007 so schön begonnen: 25 Grad, die Sonne scheint, das Wasser im Elbsee hat eine angenehme Temperatur, Raphael hat seine Abiturprüfungen hinter sich. Mit einem Bekannten trifft er sich am Ufer des Sees. Er springt ins kühle Nass. Beim ersten Mal geht alles glatt, beim zweiten Mal kommt er mit dem Kopf auf – seine Wirbelsäule bricht zwischen dem vierten und fünften Wirbel. Er treibt unter Wasser, sein Körper reagiert nicht mehr. „Ich bin in Richtung Grund gesunken“, erinnert er sich. Bewegen kann er sich nicht mehr.

Sein Bekannter reagiert sofort, zieht ihn aus dem Wasser und alarmiert die Rettungskräfte. Kurze Zeit später treffen auch Raphaels Eltern am Unfallort ein. Seine Mutter begleitet ihn im Rettungswagen, doch dann verliert er die Erinnerung. In der Uniklinik Düsseldorf wird er neun Stunden lang operiert. Als er nach der OP wieder wach wird und sich immer noch nicht bewegen kann, wird ihm die Tragweite seiner Verletzung klar.

Statt aufzugeben beschließt Raphael in diesem Moment zu kämpfen. „Ich habe gedacht, dass ich mit viel Training wieder auf die Beine komme.“ Neun Monate bleibt er in der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Duisburg zur Reha. „Man fängt wieder bei null an“, erklärt er. Vor seinem Unfall hatte der durchtrainierte Kanusportler 80 Kilo gewogen. Eine Woche danach nur noch 68 Kilo: „Solch eine Verletzung ist der Super-Gau für den Körper, hat mir ein Arzt gesagt.“ Es haben beispielsweise einige Tage gedauert, bis er seinen Kreislauf so weit stabilisieren konnte, dass er wieder sitzen konnte, ohne das Bewusstsein zu verlieren. Raphael schlägt sich im weiteren Verlauf mit gefährliche Druckstellen und Lungenentzündungen herum.

Raphael Simson war neun
Monate in Duisburg zur Reha

Während der Reha in Duisburg bauen seine Eltern die Wohnung im Erdgeschoss ihres Hauses in der Hildener Innenstadt barrierefrei um, Raphaels Mutter gibt ihren Job auf, um sich 24 Stunden um ihren Sohn zu kümmern. Ein gewisser Alltag setzt ein, Raphael beginnt ein Fernstudium, Psychologie. Er schafft den Bachelor, studiert jetzt Mathe. „Ich bin allerdings mit allem sehr langsam. Ich kann beispielsweise nicht mitschreiben.“ Eigentlich wollte er 2007 nach Oberammergau, um dort in einer Jugendherberge seinen Zivildienst zu leisten. Die Stelle hatte er schon, aber dann kam der Unfall dazwischen.

Raphael ist von der Brust ab gelähmt und hat dort auch kein Gefühl mehr. Seine Hände kann er nicht richtig bewegen. „Ich brauche bei allem Hilfe“, sagt er. Vor einigen Monaten wurde Raphael eine 24-Stunden-Betreuung bewilligt. Seine Betreuer und er haben einen guten Draht zueinander, lachen viel und gerne.

Raphael trainiert mehrere Stunden täglich. „Leider haben sich bisher keine größeren Erfolge eingestellt“, erklärt er. Vor einigen Monaten ist der Hildener auf eine neue Form der Therapie aufmerksam geworden. Sie nennt sich „Neurophysics (www.neurophysicsthrapy.global) und wird momentan ausschließlich in Australien angeboten. „Während die Physiotherapie in Deutschland eher darauf bedacht ist, den Zustand auf einem vernünftigen Level zu halten, ist das Ziel von Neurophysics eine Funktionsverbesserung“, sagt Raphael. Er erhofft sich durch die Therapie mehr Mobilität im Alltag: „Ich glaube, dass diese Hoffnung nicht unbegründet ist, da schon einige Menschen durch diese Methode genau das geschafft haben.“

Seine Mutter ist selbst Physiotherapeutin. „Als ich die neue Therapieform entdeckt habe, habe ich sie um ihre Meinung dazu gebeten“, sagt Raphael. Bei Neurophysics nutzen die Therapeuten Spastiken, um sie gezielt einzusetzen und sie funktionell zu nutzen, erklärt Raphael. Seine Mutter war von der Idee angetan.

Die Therapie in Australien ist aber teuer. „Sechs bis acht Wochen kosten rund 16 000 Euro“, sagt Raphael. Um dieses Geld zusammenzubekommen, hat er einen Spendenaufruf bei einer Internetplattform gestartet.

Bislang haben auf schon mehr als 100 Menschen für ihn und seine Gesundheit gespendet, rund 9000 Euro sind zusammengekommen.