Haan Gruiten kämpfte jahrelang für eine Kirche

Haan. · Die Dorfkirche hat eine lange und bewegte Geschichte. Heimatforscher Lothar Weller blickt auf die Entstehung der Kirche zurück.

Ein Blick ins Innere der evangelisch-reformierten Kirche in Gruiten-Dorf. Sie besticht durch Schlichtheit.

Foto: "Köhlen, Stephan (teph)"/Köhlen, Stephan (teph)

Das Dorf Gruiten, heute ein Stadtteil von Haan, ist schon sehr alt. Es entstand als Weiler im Düsseltal in der Zeit um 1000. Am 5. Juni 1719 wurde der Grundstein für die reformierte Kirche im Dorf gelegt. Was das bedeutete, kann man erst verstehen, wenn man die spannende Vorgeschichte kennt.

1611 wechselte Gruitens katholischer Priester die Seite und wurde als reformierter Prediger der Gemeinde Gruiten in die Bergische Synode aufgenommen. Und damit war das kleine Dorf mitten drin im Kirchenkampf. Denn nach dem frühem Tod (1615) des Konvertierten setzte das Kloster Gräfrath unter Anwendung von Gewalt wieder einen katholischen Priester in Gruiten ein. Den Reformierten wurde durch die weltliche Obrigkeit die Nutzung der Kirche und des Pfarrgutes untersagt. Die Gruitener Protestanten hatten keinen eigenen Prediger und keine eigene Kirche und mussten deshalb in Nachbargemeinden ausweichen.

1618 beginnt der 30-jährige Krieg. Deutschland wird zum Schlachtfeld eines politischen Konflikts der Nachbarländer, der unter religiösen Vorzeichen – Katholiken gegen Protestanten – ausgetragen wird. Es ist der schlimmste, brutalste und verheerendste Krieg, den Deutschland je gesehen hat. Am Ende 1648, sind in manchen Landstrichen 40 Prozent der Bevölkerung tot.

Erst 1647 gibt es ein Lebenszeichen der reformierten Gemeinde Gruiten, sie ist nicht untergegangen: In diesem Jahr nimmt wieder ein Ältester aus Gruiten an einem Konvent teil. Danach ist 20 Jahre nichts mehr zu finden. Erst zwischen 1665 und 1670 treten wieder Gruitener Reformierte bei Synoden auf, um Beschwerden gegen Maßnahmen des katholischen Pfarrers von Gruiten in den vergangenen Jahrzehnten vorzutragen und Unterstützung gegen Strafen der weltlichen Obrigkeit zu erbitten.

1674 durften Reformierte in Gruiten ihre Religion ausüben

1672 schließen die regierenden Fürsten erneut (wie schon 1648) einen Religionsvergleich. 1674 dürfen auch die Reformierten in Gruiten endlich ihre Religion öffentlich ausüben – mit allem, was dazu gehört. 1675 bekommt die Gemeinde den ersten eigenen Prediger Thomas Kolhagen. Sie hat aber immer noch keine Kirche. Die Reformierten stellen zwar die Mehrheit der Einwohner im Dorf, Zugriff auf den kirchlichen Besitz haben sie aber nicht. Wenn sie ihre Verstorbenen auf dem Friedhof beerdigen wollen, müssen sie dafür eine Gebühr an den katholischen Pfarrer bezahlen. Und die „Ketzer“ brauchen die Erlaubnis, bei Beerdigungen die Glocke der katholischen Kirche läuten zu dürfen. Diese Zustände sorgen für Dauer-Streit. Deshalb beschließen die Protestanten ein Grundstück zu kaufen und dort ein Bethaus zu errichten. Dafür brauchen sie die Erlaubnis der Obrigkeit. Sie schreiben einen Bittbrief, den Lothar Weller übersetzt hat: „So wehre nun unser flehendliches Ersuchen, weil wir als eine von Kirchenbesitz entblöste Gemeinde im Elend leben, für unsern Predigern kein Hauß noch Herberge haben, in einem verfallenden Backhauß unsren Gottesdienst müßen verrichten, daß wir nun wohl gesinnet wehren, mit der Hulffe Gottes ein Häußgen aufzurichten, wenn solches uns könnte erlaubet werden. Wir hoffen, es werden sich milde Geber finden, welche dem Bauw der Kirche mit einer milden Beysteuer beyspringen, wenn sie die Versicherung haben, daß uns von Ihro Durchlaucht erlaubet und vergunstiget wurde, zu bauwen.“ So wird 1682 ein Predigthaus mit Wohnung für die Familie des Predigers erbaut.

Am 5. Juni 1719 wurde der Grundstein für die Kirche gelegt

Erst vor diesem Hintergrund kann man verstehen, was es für die Gläubigen bedeutet haben muss, als am 5. Juni 1719 der Grundstein für die Gruitener „Kirche im Dorf“ gelegt wird. Das Consistorium streckt zur Finanzierung 100 Reichsthaler aus der Armenkasse vor. Man hofft, durch Kollekten und Spenden diesen Vorschuss wieder zurückzahlen zu können. Es gibt – wie heute auch – jede Menge Probleme und Ärger mit den Handwerkern und „saeumigen, eigensinnigen und widerspenstigen Geimensmitgliedern“, die sich offenbar weigern, ihr Scherflein für die neue Kirche beizutragen. Der Pastor geht mehrfach auf Spendentour, berichtet Lothar Weller, sogar nach Duisburg, Mühlheim/Ruhr und Kettwig.

Doch das Geld reicht immer noch nicht Deshalb wird mehr nur in der Nachbarschaft, sondern auch bei Glaubensbrüdern am ganzen Niederrhein, in Westfalen und selbst in Holland gesammelt. So finanzieren heute noch viele muslimische Gemeinden bei uns ihre Moscheen.

Auch Gaben von Behörden gehen ein, hat Weller recherchiert: vom Magistrat zu Soest, den Städten Bielefeld, Iserlohn und Plettenberg, von der Herrschaft Berleburg, der Weberzunft zu Biedenkopf, der Schuhmacherzunft Marburg, Zünften aus Bielefeld, vom Bürgermeister zu Hardenberg und von der Universität Duisburg. Alle haben für die kleine Kirche im Dorf Gruiten gespendet.2018 Reichsthaler kommen zusammen. Feierlich wird das Gotteshaus am 5. Oktober 1721 eingeweiht: Die Kirche ist nicht komplett bezahlt.

Und Geld für Glocken hat man auch nicht. Aber die reformierte Gemeinde Gruiten hat endlich, mit Gottes Hilfe, eine eigene Kirche. 300 Jahre ist das jetzt her.