Wie geht es der Stadt Hilden finanziell?
Hilden „Krise lässt die Ausgaben wachsen“
Welche Auswirkungen die Corona-Pandemie auf die Stadt und das Leben in Hilden hat, lässt sich noch nicht komplett überblicken. Eins steht aber schon jetzt fest: „So eine Krise gab es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr“, sagt Birgit Alkenings in unserem Interview.
Birgit Alkenings: Finanziell befinden wir uns momentan im Blindflug. Viele Unternehmen haben die Vorauszahlungen der Gewerbesteuer vom Finanzamt herabsenken lassen. Normalerweise wird das vorher geprüft, wegen Corona aber genehmigen die Finanzämter die Herabsenkung als Art Soforthilfe ohne Prüfung. Bisher sind wir bei rund 15 Millionen Euro weniger Einnahmen aus der Gewerbesteuer. Wir hatten mit über 40 Millionen Euro geplant und landen nun, Stand jetzt, bei 28 Millionen. Ob es so kommt, wird sich aber erst zeigen, wenn die Steuer am Ende des Jahres verbindlich ausgerechnet wird. Ich gehe außerdem stark davon aus, dass die Gemeindeanteile an der Umsatz- und Einkommenssteuer sinken. Aber das ist nicht alles. Wir haben durch die Krise auch mehr Ausgaben: Im Sozialbereich müssen wir Geld in die Hand nehmen, um Menschen zu unterstützen, die durch Corona in eine Notlage geraten sind. Allein beim Wohngeld, der einfachsten Hilfe in solchen Situationen, haben wir statt 450 Bezieher nun 500. Das wird zwar später mit dem Bund verrechnet, aber das Geld fehlt uns erst einmal. Weitere Kostenpunkte: Der Rettungsdienst benötigt deutlich mehr Schutzausrüstung, der Kommunale Ordnungsdienst arbeitet mehr, und wir werden von einem Securitydienst unterstützt.
Niedrigere Einnahmen, höhere Ausgaben – wie wirkt sich das auf das Leben in Hilden aus?
Alkenings: Erst einmal überhaupt nicht. Der Haushalt ist beschlossen, ein Nachtragshaushalt bisher nicht notwendig. Wir werden weiter unsere Aufgaben erfüllen und alle beschlossenen Zuschüsse zahlen. Auch die Bauvorhaben werden – wie geplant – durchgeführt. Wir renovieren Schulen, bauen Kitas. Durch die geringeren Einnahmen erhöht sich der Konsolidierungsdruck allerdings extrem. Wir werden zukünftig auf Rücklagen zurückgreifen müssen, um den Haushalt auszugleichen. Wie viel Geld wir dafür benötigen, kann ich jetzt allerdings noch gar nicht sagen.
Wo gab es Probleme?
Alkenings: Vorweg muss ich sagen, dass noch niemand Erfahrungen in solchen Situationen sammeln konnte. So eine Krise gab es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr. Wir müssen uns alles neu ausdenken. Dafür lief es aus meiner Sicht erstaunlich gut. Das lag vor allem daran, dass die Mitarbeiter flexibel reagiert und immer mitgezogen haben.
Anfangs kamen einige Bürger telefonisch nicht mehr zur Corona-Hotline der Stadt durch.
Alkenings: Nachdem wir über Ostern eine neue Telefonanlage fürs Rathaus erhalten haben, gab es keine Aussetzer mehr.
Können Sie den Bürgerservice sonst aufrecht erhalten?
Alkenings: 230 Kolleginnen und Kollegen arbeiten im Homeoffice, im Rathaus sind noch etwa 40 Prozent der Mitarbeiter. Der Service ist teilweise eingeschränkt, teilweise nur nach Terminvereinbarung möglich. Wir merken, dass wir noch digitaler werden müssen. Die Corona-Krise wirkt in diesem Bereich als Katalysator. Ein Beispiel: Während Dienstbesprechungen mit Außenstellen früher persönlich geführt worden sind, treffen sich die Kollegen jetzt in einer Telefon- oder Videokonferenz und stellen fest, dass es auch so klappt. Ich gehe davon aus, dass daran auch in Zukunft festgehalten wird. Seit einiger Zeit befinden wir uns auch nicht mehr im Notbetrieb, sondern fahren alle Leistungen wieder hoch. Allerdings mit der gebotenen Vorsicht und unter Einhaltung des Kontaktverbotes. Wir müssen weiterhin verhindern, dass sich Menschen irgendwo knubbeln. Leider bekommen wir unsere Wartebereiche nicht Corona-konform organisiert, sodass Termine im Bürgerbüro oder im Standesamt nur nach vorheriger Anmeldung möglich sind.
Ihr unabhängiger Mitbewerber um das Bürgermeisteramt, Claus Pommer, hat einen Runden Tisch gefordert, um die Corona-Krise besser zu handeln – was halten Sie von dem Vorschlag?
Alkenings: Die enge Abstimmung zwischen den handelnden Institutionen und Personen läuft bereits jetzt sehr gut und völlig problemlos. Ein Runder Tisch würde diese reibungslose Zusammenarbeit nur formalisieren. Im schlimmsten Fall könnte der Runde Tisch dazu führen, dass wir auf Entscheidungen, die sonst mit einem Telefonat erledigt wären, warten müssen. Ansonsten schadet es natürlich nicht, wenn sich viele mit Ideen einbringen.
Bis Ende August sind alle Großveranstaltungen abgesagt – wie plant die Stadt darüber hinaus?
Alkenings: Die Veranstaltungen sind eigentlich alle bereits geplant. Manche schon seit einem Jahr. Daher beschäftigen wir uns nun mit der Umsetzung. Wir schauen, wo wir noch Verträge ohne Strafzahlung auflösen können. Dass wir nach den Sommerferien einfach wieder zur Normalität zurückkehren können, glaube ich nicht. Kleinere Veranstaltungen werden wohl möglich sein, größere eher nicht.
Die Vielzahl an Festen, das gesellschaftliche Leben, die ehrenamtliche Arbeit – das alles steht für Hilden. Wird es irgendwann wieder so wie früher?
Alkenings: Ich hoffe und ich glaube, dass wir wieder zu einem normalen Alltag mit allen Aktivitäten und Veranstaltungen zurückfinden werden. Wie gut das gesellschaftliche Engagement in Hilden funktioniert, hat sich während der Corona-Krise wunderbar gezeigt: Ich war von der Hilfsbereitschaft vieler Menschen, Vereine und Verbände gerührt. Die Hildener können sich auf die Hildener verlassen. Und dieses Engagement, dieses soziale Miteinander ist das, was Hilden ausmacht.
Noch kurz zu Ihnen: Was vermissen Sie während der Krise am meisten?
Alkenings: Ich habe am Wochenende sonst sehr viele Termine, die jetzt alle wegfallen. Mir fehlt der direkte Kontakt zu den Menschen. Das ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit. Ansonsten vermisse ich die Berücksichtigung der Belange der Kinder.