Herr Becker, hätten Sie gedacht, dass Sie mit einem Hupkonzert oder einer Lichthupe noch mal etwas Positives verbinden würden?
Hilden „Spaziere durch die Reihen und rede“
Hilden. · Jürgen Becker gastiert mit seinem Programm „Die Ursache liegt in der Zukunft“ Samstag in Hilden.
Er eröffnet den Kabarettreigen im neuen Hildener Autokino: Am Samstag, 6. Juni, tritt der Kölner Satire-Profi und „Mitternachtsspitzen”-Moderator Jürgen Becker in der Giesenheide auf. Im Interview erzählt er, was er mit diesem Auftritt verbindet – und warum die Corona-Krise ein echter Fortschritt für die Menschheit sein kann.
Jürgen Becker: (lacht) Ich gebe zu, es fällt mir immer noch etwas schwer. Normalerweise ist eine Lichthupe auf der Straße ja immer gleichbedeutend mit der Botschaft „Hau ab, du Arsch”. Aber diesmal freue ich mich natürlich über jeden, der mir am Samstag applaudiert, indem er mich anblinkt. Lautes Hupen ist allerdings verboten – wir wollen ja nicht die ganze Nachbarschaft belästigen.
Es ist Ihr dritter Auftritt in einem Autokino. Wie waren Ihre Erfahrungen bisher damit? Normalerweise leben Künstler wie Sie ja vom unmittelbaren Applaus.
Becker: Das stimmt zwar einerseits, aber die Atmosphäre bei so einer Veranstaltung im Autokino hat schon auch etwas Besonderes. Da es mittlerweile ja auch erlaubt ist, die Fenster ein wenig herunter zu lassen, spaziere ich immer durch die Reihen und unterhalte mich mit den Menschen im Auto. Ansonsten stelle ich mir einfach vor, mein Publikum sei zum Lachen in den Keller gegangen und ich würde die Leute jetzt nach und nach wieder hochholen.
Im Text zu ihrem Programm „Die Ursache liegt in der Zukunft“ heißt es unter anderem: „Ein bahnbrechend zorniges Sturmtief kündigt sich an. Recken wir also die Hände zum Heizpilz und fahren nach der Party voll im SUV vor die Wand? Oder machen wir die Wende in ein genüssliches Leben voll Komischer Intelligenz?” Das klingt, als hätten Sie es eigens für die Corona-Krise geschrieben...
Becker: Gut, nicht? Das sagen mir viele Zuschauer, nachdem sie mein Programm gesehen haben. Die Wahrheit ist: Ich hatte es tatsächlich schon eine ganze Zeit vor dem Lockdown fertig. Ich habe halt recherchiert, was die Welt zusammenhält, wenn sie auseinander fällt – und wie es sich für alle so richtig rechnet, sie jetzt zu retten. Das begreifen übrigens immer mehr Menschen. Und es ist nicht zuletzt durch Corona aktueller denn je.
Woran machen Sie das fest?
Becker: Momentan überbieten sich die Politiker doch mit Botschaften wie „Die Zukunft der Konzerne ist ungewiss, die der Kaufhäuser auch, Luftfahrt – alles ungewiss“. Aber es ist nun mal das Wesen von Zukunft, dass sie immer ungewiss ist. Dagegen ist etwas anderes sicher: Die Erderwärmung sollte möglichst unter 1,5 Grad bleiben. Andernfalls müssen wir mit weitreichenden Folgen leben, das wissen alle Klimaexperten außer Donald Trump. Wissen Sie, wann dieser Kipp-Punkt erreicht sein wird? In acht Jahren. Wenn wir jetzt nicht umsteuern, wann dann?
Was können wir Ihrer Meinung nach tun?
Becker: Nehmen wir mal die Fliegerei: Wussten Sie, dass 95 Prozent aller Menschen noch nie geflogen sind? Doch die fünf Prozent, die es tun, sind für ein Zehntel der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Da stellt sich doch die Frage, ob Fliegen wirklich notwendig ist? Corona hat uns da sicherlich auch gezeigt, dass es anders geht. Wir leben, als hätten wir drei Erden zur Verfügung, wir haben aber nur eine. Höchste Zeit, dass wir beginnen, sie für unsere Kinder bewohnbar zu hinterlassen. Die Fridays-for-future- Bewegung hat das begriffen und artikuliert es immer wieder. Die finde ich richtig gut.
Dann sind wir jetzt gespannt darauf, was Sie uns in Ihrem Programm noch alles an interessanten und lehrreichen Beispielen präsentieren…
Becker: Ich würde mich freuen, wenn Sie ins Hildener Autokino kommen. Fest steht: Die bisherige Lebensweise „Macht euch die Erde untertan“ und „Seid fruchtbar und mehret euch“ haben wir angesichts von rund 7,8 Milliarden Menschen weltweit eindrucksvoll umgesetzt. Mal sehen, ob jetzt auch etwas anderes funktioniert und inwieweit die Corona-Krise uns da helfen kann. Vielleicht sollten wir jedes Jahr so einen Lockdown einführen. In Köln hat er übrigens hervorragend funktioniert. Die Mentalität, erst mal zu gucken und sich dann am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, hat genau dazu gepasst.