Haan Großer Unmut um die Haldenerweiterung
Haan. · ANALYSE Beim Nachbarschaftsstammtisch im Haus Poock gabe es eine heftige Debatte um das Vorhaben der Kalkwerke Oetelshofen, fünf Hektar Wald zu fällen.
Am Ende ging es um schmutzige Wäsche. Und um einen Müllberg, der „vier Kilometer in die Höhe“ wachsen soll. Eine Frage blieb hingegen bis zum Schluss unbeantwortet: Wie kann es sein, dass ein seit drei Jahren laufendes Genehmigungsverfahren von Stadtverwaltung und Politik unbemerkt bleibt?
Zuvor hatte eine Handvoll aufgebrachter Bürger einen Firmenchef und die Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD, GAL und WLH beinahe zwei Stunden lang vor sich hergetrieben – quasi durchs Osterholz, das Waldgebiet am äußersten Rand von Gruiten an der Grenze zu Wuppertal-Schöller. Dort planen die Kalkwerke Oetelshofen auf fünf Hektar Fläche die Erweiterung ihrer Halde, knapp ein Hektar der Gesamtfläche befindet sich auf Haaner Stadtgebiet. Dieser Hektar könnte nun zum „Stein des Anstoßes“ werden.
Im Haus Poock an der Osterholzer Straße hatten sich Anwohner zum Nachbarschaftsstammtisch verabredet. Thema: Die geplanten Rodungen im
Osterholz. Trifft man sich sonst im kleinen Kreis, so waren diesmal Einladungen an die Ratsfraktionen verschickt und Vertreter von „Fridays for Future Haan“ hinzu gebeten worden.
Federführend an diesem Stammtischabend: Marjolein Schlüter, die selbst am Hahnenfurther Weg wohnt. Sie sei auf der Suche nach Antworten allerorten vor Wände gelaufen, man habe ihr nicht zugehört und ihr im Haaner Rathaus die Einsicht in Unterlagen verweigert: Der Einstieg in die Debatte glich einer Abrechnung mit Stadtverwaltung und Lokalpolitikern. „Ich habe dort immer nur gehört: Wir wissen es nicht“, beschrieb Schlüter ihre verzweifelte Suche nach Informationen. Auch Sven Kübler von der Agnu soll telefonisch abgewunken und ihr gesagt haben, dass man im Osterholz und nicht im Hambacher Forst sei und dass er das Anketten an die dortigen Bäume für sinnlos halte. „Dort scheint man kein Interesse am Erhalt des Waldbestandes zu haben“, resümierte Marjolein Schlüter.
Später am Stammtischabend war von Kalkwerkechef Jörg Iseke zu hören, dass die Agnu seit jeher mit am Tisch sitze, wenn bei den Kalkwerken Oetelshofen gemeinsam um den Umwelt- und Naturschutz gerungen wird – und das Vorhaben dort seit langem bekannt sei. Dass er selbst zum Stammtisch zwar nicht eingeladen und dennoch gekommen war, um die von den Anwohnern beklagte Informationslücke zu schließen? Nun ja, das geriet im Sog der aufgeheizten Debatte beinahe zur Randnotiz.
Lokalpolitiker zeigten sich über die Pläne wenig informiert
Hätte man wissen wollen, was genau geplant sei im Osterholz: Man hätte Jörg Iseke an diesem Abend alles fragen können. Das taten dann aber nicht die Anwohner, sondern die Lokalpolitiker. Denen hatte Marjolein Schlüter zuvor vorgeworfen, vollkommen uninformiert zu sein. Das Planfeststellungsverfahren läuft auf Ebene der Bezirksregierung. Schon 2017 gab Einladungen zu Gesprächen auch an die Stadtverwaltung. Aber nur der Kreis war vertreten und die Naturschützer. Auch die derzeitige Offenlegung der Pläne war von allen unbemerkt geblieben. Was die Lokalpolitik betrifft, so mag es von Jens Lemke (CDU) zwar ehrlich, aber nicht unbedingt klug gewesen sein, zu sagen: „Das stand zwar im Amtsblatt, aber das lese ich nicht immer.“
Die Debatte war da längst schon von der Sachebene ins Emotionale abgeglitten. Dass Kalkwerke-Chef Jörg Iseke über Baumpflanzungen als Ausgleichsmaßnahmen sprechen wollte? Von den Anwohnern abgewiegelt. Dass eine Abraumhalde keine Müllkippe ist, sondern wie ein „Maulwurfshaufen“, weil dort nur dass abgekippt wird, was zuvor aus der Erde geholt wurde? Wollte keiner hören. Derweilen war man längst bei aufgewirbeltem Staub und schmutziger Wäsche angelangt. Und bei dem anfangs zitierten „vier Kilometer hohen Berg im Quadrat“, den einer der Anwohner als angeblich geplante Haldenerweiterung errechnet hatte. (Das Haldenvolumen von 2,5 Millionen Kubikmetern würde auf fünf Hektar Fläche tatsächlich einen Kubus von rund 50 Metern Höhe ergeben.)
Weitere Fakten verhallten scheinbar: Wirtschaftliche Alternativen zum Bau der Halde gebe es nicht. Das Unternehmen hofft auf eine Genehmigung bis Jahresende, würde dann den Wald fällen, einen Grenzwall ungefähr entlang des Wanderwegs bauen, die Halde über acht bis zehn Jahre aufschütten und sukzessive begrünen.
Für eine sachliche Auseinandersetzung wäre eine gründlichere Recherche hilfreich gewesen – wie sowas geht, zeigte Meike Lukat. Die WLH-Fraktionschefin hatte zuvor bei der Verwaltung nachgehakt, in öffentlichen Mitschriften zum Genehmigungsverfahren gewühlt und so die einzig wirklich relevante Frage auf das Tapet gebracht: „Laut Flächennutzungsplan darf auf dem Hektar Land auf Haaner Stadtgebiet zwar forstwirtschaftlich gefällt, aber nicht aufgeschüttet werden. Ist die Haldenerweiterung so überhaupt genehmigungsfähig?“ Der Flächennutzungplan der Gartenstadt setzt hier „Wald“ fest, während die Wuppertaler Flächen für Wald und Aufschüttung vorgesehen sind.