Ein dunkles Kapitel Monheims
Das Stadtarchiv verfügt über erstaunlich viel Material aus der Nazi-Zeit. Es gibt Einblick in eine oft verdrängte Zeit.
Monheim. Die Deutschen und das Vergessen - da denken viele automatisch an die Nazi-Zeit. Und so manch einem war es ganz recht, dass viele Dokumente bei Bombenangriffen oder kurz vor dem Einmarsch der Alliierten vernichtet wurden.
Aber für Monheim gilt das nicht. "Wir haben hier besonders viele gut erhaltene Dokumente aus dem Dritten Reich. Ich muss schon sagen: Im Vergleich zu anderen Städten ist das ein Glücksfall", freut sich Michael Hohmeier in seiner Funktion als Stadtarchivar.
Auf mehr als 20 laufende Meter bringt es das Archivmaterial. Und plötzlich ist man zurückversetzt in die Zeit zwischen 1933 und 1945. Das Rathaus - heute der alte Trakt - ist gerade gebaut worden.
Der Eingang liegt an der Göbbelsstraße (Alte Schulstraße). Selbstverständlich gibt es auch den Adolf-Hitler-Platz (heute Rathausplatz).
Unter den offiziellen Amtspapieren steht der Name Josef Grütering - 1934 von den Nazis als Bürgermeister nach Monheim geholt. Er wacht über 7500Einwohner inklusive Baumberg und Hitdorf.
Die alten Akten lassen Sammelaktionen wieder auferstehen. Einmal wird dazu aufgerufen, Wolle für die Soldaten zu spenden. Dann werden Schweinsborsten - wohl als Ersatz für die Pinselherstellung - gesucht. Eine andere Akte verrät, dass zum Sammeln der Kartoffelkäfer auf den Feldern aufgerufen wird.
Bombenschäden an Häusern werden akribisch beschrieben, damit es auch einen Anspruch auf Entschädigung gibt. In den Wachbüchern der Luftschutzwarte sind nicht nur Angriffe eingetragen. Da liest man auch antisemitische Parolen - vielleicht bei einem Nachtdienst mit hassvergifteter Naziüberzeugung eingetragen.
Es gibt mit Beginn des Dritten Reiches noch einige jüdische Familien in Monheim. Der Name Herz ist bekannt in der Stadt. Doch wer nicht rechtzeitig flieht, der wird deportiert.
Die meisten jüdischen Monheimer kommen in den Vernichtungslagern ums Leben. Heute erinnern Stolpersteine in der Frohn-, Graben- und Franz-Boehm-Straße an Verbrechen. Letztere Straße ist nach Pfarrer Franz Boehm benannt. Er predigte von der Kanzel in St.Gereon gegen die Nazis - und stirbt kurz vor Kriegsende im KZ Dachau.
Am 8.Mai 1945 kapituliert das Dritte Reich. Deutschland liegt in Trümmern. Monheim macht da keine Ausnahme. Der emsige Nazi-Bürgermeister Josef Grütering will allerdings den Einzug der Alliierten nicht abwarten.
"Am 16. April 1945 setzt er sich ab in Richtung Wermelskirchen", weiß Hohmeier zu berichten. In der dortigen Region verbringt er seinen Lebensabend, stirbt schließlich 1970.
Im Stadtarchiv schlummern auch Personalakten. Nach dem Krieg müssen sich die Verwaltungsmitarbeiter erst einmal der so genannten Entnazifizierung stellen.
Es wird geprüft, ob sie überhaupt noch tragbar sind für den öffentlichen Dienst in einer im Aufbau begriffenen Demokratie. Da ist auch die Akte eines Monheimer Verwaltungsmannes zu finden, der einst ein strammer Nazi war. Er wird es später noch weit bringen in der jungen Bundesrepublik Deutschland.
Es sind die 1990er-Jahre, in denen Hohmeier plötzlich besonders viele Anfragen erhält. Die kommen aber keineswegs von geschichtshungrigen Monheimern. Es sind ehemalige Zwangsarbeiter.
Auch für sie erweist sich das gut sortierte Archiv als Glücksfall. Karteien mit hunderten ehemaliger Verschleppter vor allem aus Osteuropa sind noch erhalten. Nach Jahrzehnten wird ihnen endlich Entschädigung zugesagt.
Dafür müssen sie aber belegen, dass sie tatsächlich Zwangsarbeiter waren. "Ich habe bestimmt 50Anfragen gehabt und konnte in den meisten Fällen helfen", sagt Michael Hohmeier. So hat ein dunkles Kapitel Monheimer Geschichte - im Archiv festgehalten - zumindest seinen positiven Aspekt.