Mit Kraft durch den Alltag
André Ripka sitzt seit fünf Jahren im Rollstuhl. In der Stadt muss er Umwege fahren, nicht nur Bordsteine werden zum Hindernis.
Langenfeld. An die Blicke hat sich André Ripka längst gewöhnt. Wenn er mit seinem Rollstuhl durch die Langenfelder Innenstadt fährt, gucken die Leute. „Das fällt mir nicht mehr auf“, sagt der 48-Jährige.
Vor acht Jahren bekam er die lebensverändernde Nachricht: „Sie haben MS“, sagte der Neurologe und drückte ihm eine Broschüre in die Hand. Der Grund für seinen Arztbesuch waren Probleme beim Treppensteigen.
Er wunderte sich, warum seine Füße an den Stufen hängen blieben und er stolperte. „Ich tippte auf Knieprobleme.“ Die Nachricht Multiple Sklerose traf ihn dann wie ein Schlag. Die Krankheit ist bis heute nicht heilbar.
Drei Jahre später konnte er seine Beine nicht mehr kontrollieren. Der Rollstuhl war unvermeidbar. Und mit ihm der Umzug aus Düsseldorf in eine kleinere, übersichtlichere Stadt. „Ich kannte Langenfeld von meiner Zeit als Postausträger.“
Seine Kenntnisse als „Gehender“, wie Ripka sagt, brachten ihn allerdings nicht weit. Wege, die für ihn früher ein Leichtes waren, wurden zum Problem, Bordsteinkanten zum Hindernis.
„Ich muss häufig Umwege fahren, weil die Kanten nicht abgesenkt sind.“ Sandflächen, die bei einigen Baustellen in der Innenstadt mit Holzbrettern provisorisch bedeckt werden, kann er überhaupt nicht überwinden. Ohne seine durchtrainierten Oberarme wäre er völlig aufgeschmissen.
Mittlerweile kennt er aber die besten Strecken durch Langenfeld. Dennoch erfordert ein Ausflug immer eine genaue Planung. „Ich kann nicht spontan eine Kneipe besuchen. Einige haben eine zu schmale Tür, bei anderen liegt die Toilette im Keller oder sie ist erst gar nicht behindertengerecht.“
Im Rathaus gibt es zwar eine behindertengerechte Toilette, doch der Weg bis dahin ist für André Ripka beschwerlich. Auf dem Rathausplatz ist Kopfsteinpflaster verlegt. „Gehende bemerken das kaum, ich werde durchgeschüttelt.“ Will er zu einer Veranstaltung, wie dem Stadtfest vor ein paar Wochen, kann er nicht länger als bis 22 Uhr bleiben. „Dann sind alle Toiletten, die ich benutzen könnte, geschlossen.“
Seit dem Ausbruch der Multiplen Sklerose musste er viele Rückschläge hinnehmen. Die Autoimmun-Erkrankung greift das Nervensystem an und führt über neurologische Schädigungen zur Beeinträchtigung des motorischen oder des Zentralnervensystems.
„Wenn ich ins Bett gehe, weiß ich nicht, ob ich morgens blind bin.“ Unterstützung von seiner Familie erhält er nicht. „Als ich meinem Vater von der Diagnose erzählt habe, hat er nur gefragt, ob das ansteckend sei.“ Seitdem spricht Ripka nicht mehr mit ihm.
Die Widrigkeiten, die der Alltag für ihn bereit hält, nimmt er mit Humor. „Ich kann das meiste ja eh nicht ändern“, sagt er und lacht. Ripka lacht oft. Menschen, die ihn neu kennenlernen, sind von seiner positiven Lebenseinstellung beeindruckt. Er hat sich sein Lächeln von der Krankheit nicht nehmen lassen.