„Unsolidarisch und unkollegial“ Offensive Firmen-Kampagne stößt auf Kritik

Langenfeld. · Langenfelder Schreiben über niedrige Steuersätze kommt nicht gut in Gelsenkirchen ein.

Bereits im Jahr 2015 schrieben die Langenfelder Wirtschaftsförderer auswärtige Firmen an.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Die städtischen Wirtschaftsförderer haben sich mit einer offensiven Kampagne unbeliebt gemacht. In Briefen an auswärtige Firmenchefs weisen sie auf die vergleichsweise niedrige Gewerbesteuer in Langenfeld hin und werben um eine Betriebsverlagerung dorthin. Bürgermeister Frank Schneider (CDU) bestätigte einen Bericht der Tageszeitung WAZ, dass ihm der Gelsenkirchener Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) darauf einen erbosten Brief geschrieben hatte. Die von Schneider unterschriebenen Abwerbe-Versuche mit Hinweis auf einen neuen „Firmensitz mit Steuervorteil“ seien ein „grobes Foulspiel“, befindet Baranowski. Die Aktion sei „unsolidarisch, unkollegial und vor allem ein Affront gegen die Mitarbeiter der Gelsenkirchener Wirtschaftsförderung“.

Schneider wies den Vorwurf zurück. „Wir werben mit unseren Vorzügen – das dürfen wir.“ Nach der im Stadtrat beschlossenen Senkung des Gewerbesteuer-Hebesatzes von 360 auf 330 Prozentpunkte – den zweitniedrigsten in NRW – und in zwei Jahren gar auf 299 sei der Hinweis hierauf ein legitimes Mittel. „Natürlich müssen wir Städte zusammenarbeiten. Zugleich stehen wir aber auch im Wettbewerb um Firmen und um junge Familien.“

Nach Angaben von Langenfelds Wirtschaftsförderin Heike Schönfelder wurden aus dem Rathaus etwa 600 solcher Briefe verschickt. „Wir haben nur Firmen aus Branchen angeschrieben, die wir als innovativ und nachhaltig ansehen.“ Die Adressaten seien in einem Umkreis von 50 bis 70 Kilometern ansässig, sagte Schönfelder. „Betriebe aus dem Kreis Mettmann haben wir bei dieser Aktion ausdrücklich ausgeklammert. Solche Abwerbeversuche sind für uns mit Blick auf die Kreisgemeinschaft ein klares ,No go’!“ Fast ausschließlich an Firmenchefs in der Rheinschiene seien die städtischen Schreiben herausgegangen, sagt Schönfelder, nur wenige ins Ruhrgebiet und nur ein einziges nach Gelsenkirchen.

Doch dieser eine Brief hat Baranowski aufs Äußerste erzürnt. Der angeschriebene Unternehmer habe sich nach Erhalt „fassungslos an die Gelsenkirchener Wirtschaftsförderung gewandt und gefragt, ob das mittlerweile der Stil unter Kommunen in Nordrhein-Westfalen sei“, hält er seinem Langenfelder Amtskollegen vor. Laut WAZ-Bericht schlossen sich NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) und der NRW-Städtetag der Kritik an der Aktion aus Langenfeld an.

Schon vor vier Jahren hatten die dortigen Wirtschaftsförderer mit einer Abwerbe-Kampagne für Unmut gesorgt: Auf 30 Großplakaten an Einfallstraßen und Hauptbahnhöfen wiesen sie damals auf Vorzüge des Wirtschaftsstandorts Langenfeld hin, verschickten zusätzlich an 1000 Düsseldorfer und Kölner Firmenchefs kleine Umzugskartönchen mit Standortbroschüre und Checkliste. Ob diese Kampfansage von 2015 etwas gebracht habe? „Der Erfolg lässt sich nicht unmittelbar messen und belegen, aber der Wirtschaftsstandort Langenfeld ist dadurch auf alle Fälle bekannter geworden“, sagt Schönfelder. Es seien noch reichlich Gewerbeflächen verfügbar.

Schneider hat Baranowski zwar noch nicht schriftlich geantwortet, will dies nach eigenen Angaben aber tun. Auch Langenfeld stehe im Wettbewerb – nicht nur mit Monheim und dessen noch niedrigeren Steuersätzen. „Auch wir haben schon Firmen an andere Städte verloren.“