Leben in Mettmann In der Erinnerung an 1954 steckt eine Kraft

Mettmann · Bei einer Ausstellung von Erinnerungsstücken sollen Demenz-Betroffene und Nichtbetroffene zusammenkommen.

Hatten die Idee zur Ausstellung: Petra Brinkmann-Schepke und Oliver Pahl.

Foto: Köhlen, Stephan (teph)

Was haben Cocktailsessel, Nierentisch und ein Duschvorhang mit Blumenmuster gemeinsam? Warum sind all diese Erinnerungsstücke vom 18. bis 26. September in der Stadtbibliothek Mettmann zu sehen? Und warum sollen alle Mettmannerinnen und Mettmanner jetzt in ihre Keller, auf ihre Dachböden und in ihre Familienalben eintauchen? Die Antworten gibt ein neues Ausstellungsprojekt mit dem Titel „1954: Demenz – lebendige Erinnerung“. Ab sofort sind alle Bürger aufgerufen, eigene Erinnerungsstücke zur Stadtbibliothek zu bringen und so die geplante Ausstellung wachsen zu lassen.

Gesucht werden Fotos aus dem Mettmann von 1954, Gebrauchsgegenstände wie Vasen, Tassen oder Werkzeuge. Vielleicht auch ein Radio aus der damaligen Zeit. „Es sollte tragbar sein“, sagt die Leiterin der Stadtbibliothek, Ursula Leifeld. Die Erinnerungsstücke sollen als Leihgaben ein lebendiges Bild von Mettmann 1954 zeichnen. Damals wurde Deutschland Fußballweltmeister. Und Mettmann feiert das 1050. Jahr seiner Stadtgeschichte. Nur was hat das mit dem Thema „Demenz“ zu tun?

Da kommen Oliver Pahl und Petra Brinkmann-Schepke hinzu. Denn diese beiden von der städtischen Wohn- und Pflegeberatung hatten die Idee zur Mitmachausstellung rund um den Weltalzheimertag am 21. September. „Der Grundgedanke war, dass sich Menschen mit Demenz nur schwer im hier und jetzt zurechtfinden, aber sich sehr gut an ihre eigene Vergangenheit erinnern“, sagt Oliver Pahl. Also sollen den Betroffenen und ihren Angehörigen Anknüpfungspunkte an das eigene Leben in Mettmann gegeben werden.

Gabriele von Mauschwitz von der Alzheimer-Gesellschaft Kreis Mettmann, berichtet, welch positive Wirkung der Kontakt mit Erinnerungsstücken auf Alzheimer-Patienten hat: „Man sieht förmlich, wie sie Energie und Kraft zurückgewinnen. Und wie sie plötzlich wieder ein Gespräch aufnehmen.“ Wer noch nie etwas mit dem Thema Demenz zu tun hatte, kommt über die Faszination der historischen Gegenstände zu der Erkenntnis, dass 1954 ein „cooles Jahr“ war, wie Bürgermeisterin Sandra Pietschmann sagt

Die harten Zahlen dazu liefert Oliver Pahl, der aus einem Informationsblatt der Deutschen Alzheimer Gesellschaft zitierte. Demnach lebten Ende 2021 in Deutschland fast 1,8 Millionen Menschen mit Demenz. Häufigste Demenzursache sei die Alzheimererkrankung. Im Jahr 2021 seien etwa 440 000 Menschen in der Altersstufe jenseits des 65. Lebensjahres neu an einer Demenz erkrankt.

Aus der Beschäftigung mit der Statistik heraus fiel auch die Wahl auf 1954. Denn die meisten Demenz-Patienten gibt es in der Altersklasse zwischen 80 und 84 Jahren. Da lag die Rückbesinnung auf die Mitte der 1950er-Jahre nahe, um die Betroffenen wirklich ansprechen zu können.

Oliver Pahl und Petra Brinkmann-Schepke berichten, wie sie zunächst im Stadtarchiv Kontakt mit der Zeit des Wirtschaftsaufschwungs in Mettmann aufnahmen. Giesela Bendt von den Aule Mettmannern stieß hinzu – denn sie hütet Bilder der damaligen Zeit und hat beispielsweise Erinnerungen an Toni Turek, den Torwart der WM-Mannschaft von Bern, im Gepäck. Turek lebte in Metzkausen und wurde in Mettmann begraben. Gabriele von Mauschwitz von der Alzheimer-Gesellschaft unterstützt die Ausstellung fachlich. Die Stadtbibliothek Mettmann gibt dem Projekt nicht nur ein Dach und die Fachliteratur an die Seite. „Wir haben auch Erinnerungskoffer, die wir ausleihen.“ Darin sind ebenfalls Erinnerungsstücke enthalten, die Familien zu Hause entdecken können. Die Hoffnung ist, dass mit der Ausstellung 1954 eine Erinnerungsreihe in Mettmann beginnt.